Reiseblog von Rainer Maria Ehrhardt (28.12.2012 bis
14.1.2013)
Ich habe kein Internet!
Ich habe kein Internet!
Ich habe kein Internet!
Und egal, wie oft ich das jetzt noch hier hin schreibe – es
wird sich nichts daran ändern. Die nächsten beiden Wochen bin ich definitiv von
der Außenwelt abgeschnitten.
Schluss mit „Facebook“; weder „Skype“ noch „What´s upp“;
keine Sonderangebote von Pearl, GroupOn oder Conrad electronic, nicht einmal
die Frankfurter Rundschau gibt’s zum Frühstück. Und wer weiß, ob es die
überhaupt noch gibt, wenn ich aus Kuba zurückkomme.
Wie konnte das passieren?
Es fing damit an, dass Dagmar und ich beschlossen, zum
Jahreswechsel nach Kuba zu fliegen. Silvester mit dem Buena Vista Social Club,
Cuba libre bis zum Abwinken, 30 Grad im Schatten und feinstes karibisches
Essen.
Neckermann machte es möglich – und so flogen wir am
29.12.2012 mit Condor nonstop nach Varadero. Dort wollten wir aber gar nicht
hin, aber nach Havanna gab es leider keinen Flieger mehr. Also haben wir uns
nach 11,5 Stunden Flug noch weitere zweieinhalb Stunden in einen Minibus
gezwängt, dessen Federn schon vor langer Zeit ausgebaut worden sein mussten.
Gegen Mitternacht (Ortszeit, was ziemlich genau sechs Uhr morgens zuhause
entspricht) erreichten wir unser Hotel „DEAUVILLE“. Ein 15 Stockwerke hoher
Kasten direkt am Atlantik, der ob seiner blauen Farbe und der doch sehr
schmalen Grundfläche von weitem zu sehen ist. Es war Samstag Nacht und die Bude
brummte. Disco im Haus, Bar überfüllt, junge Mädels auf der Suche nach dem Mr.
Right, Touristen auf der Suche nach der Miss Night. Und ich war müde! (Und
ohnehin längst aus dem Rennen...)
Blick aus dem siebenten Stock auf den Atlantik
Das Hotel muss direkt nach der Eröffnung sehr schön gewesen
sein. Seitdem sind allerdings ein paar Jahrzehnte vergangen und nicht nur der
Lack ist abgeblättert. Unser Zimmer liegt im siebten Stock, aber der Fahrstuhl
öffnet sich nur im sechsten oder achten Stock. Der siebte klemmt. Nun gut,
damit kann man leben. Auch, dass unsere Badezimmertür aufgrund eines fehlenden
Schlosses nicht zu schließen ist und infolge irgendwelcher Schwerkraftgesetze
stattdessen immer wieder handbreit aufgeht, gehört zu den Unwägbarkeiten des
Alltags in Kuba. Schwerer wiegt dann schon, dass man uns kein warmes Wasser
gönnt, obwohl auf einem Schild vor heißen 50 Grad gewarnt wird. Definitiv kein
Hotel für Warmduscher. Dafür wird man mit einem geilen Blick über die Küste
belohnt. Ein wilder, peitschender Ozean tut sein bestes, die letzten noch
stehenden Prachtbauten mit seinem Salzwasser zu zersetzen. Ungefähr jedes
dritte Gebäude droht zusammenzufallen. Es wäre vermutlich schon lange kein
einziger Bau mehr übrig, wenn die Regierung nicht mit vielen Hilfsgeldern aus
der ganzen Welt (natürlich außer den USA) versuchen, würde, den Verfall aufzuhalten.
Da Dagmar und ich sich selbst sehr dem Verfall nähern,
machen wir erstmal die Augen zu und pennen sieben Stunden am Stück.
DER ERSTE TAG
Somit stehen wir um sieben wieder auf. Draußen ist es recht
bewölkt und sehr windig. Daran wird sich den ganzen Tag nichts ändern. Die 30
Grad, mit der meine Wetter-APP geprahlt hat, sind eine glatte Lüge. 18-20 Grad
sind es höchstens, und das auch nur in der Sonne. Im Schatten pfeift der Wind
so kalt, dass es einen fröstelt.
Wir ziehen uns ein für kubanische Verhältnisse sehr
umfangreiches Frühstück rein, trinken dazu einen schrecklichen Kaffee und
machen uns dann auf die Suche nach einer Geldwechselstube. Es ist Sonntag, by
the way. Brav folgen wir der Wegbeschreibung der Dame an der Rezeption, finden
aber weit und breit keine Wechselstube. Auffällig ist, dass kaum Autos auf den
Straßen unterwegs sind. Und wenn doch, sind rund ein Drittel davon bekanntlich
schon 50-60 Jahre alt und kommen aus den USA. Ein weiteres Drittel sind
russische Ladas aus allen Jahrzehnten. Das letzte Drittel – die etwas neueren
Wagen sind meist Taxen oder Mietwagen und von Hyundai, Peugeot und VW. Vor
unseren Augen platzt einem dieser Uralt-Karossen (so schön sie auch aussehen,
so kaputt sind sie leider) ein Reifen. Auf der Felge rutscht die Karre rund 50
Meter weit, bis sie stehen bleibt. Die Fahrgäste steigen kreidebleich aus und
suchen das Weite. Der Chauffeur wird ´ne Weile brauchen, ein Ersatzrad samt
Reparatur der Hinterachse zu organisieren.
Was außerdem sofort auffällt: Es gibt keine Werbeplakate!
Keine Coca-Cola-Werbung, keine rauchenden Cowboys, keine Werbung für irgendwas.
Keinerlei Leuchtreklame oder zuckende Neonschilder. Höchstens ab und zu ein
paar kluge Worte von Che oder Fidel, aber auch die muss man mit der Lupe
suchen.
Da ich ja schon mal in Kuba war, finde ich auf Anhieb die
Altstadt wieder, also den Teil der kubanischen Hauptstadt, für den es vor allem
sich lohnt, die Stadt zu besuchen. Im Zentrum, an der großen Kathedrale,
tummeln sich schon die ersten Touristen sowie die fein rausgeputzten Darsteller
kubanischer Großgrundbesitzer, die sich gerne gegen Kohle ablichten lassen.
Alle haben dicke Zigarren im Mund, selbst die Frauen. Mich wundert allerdings,
dass diese Zigarren gar keinen Rauch absondern, obwohl sie so aussehen, als
wären sie angezündet. Wahrscheinlich sind sie aus Holz.
Wir haben Durst, aber kein Geld. Die angekündigte
Wechselstube haben wir wohl übersehen und die Banken haben sonntags
geschlossen. Also fragen wir in einem der vielen Hotels, die sich in der Altstadt
befinden, ob man uns Geld wechseln könnte. Die Antwort ist ein glattes nein,
aber genau gegenüber wäre doch eine Wechselstube. Und dann fällt es uns wie
Schuppen aus den Haaren: Der Menschenauflauf gegenüber sind gar keine
Touristen, sondern Wechselkunden, oder wie man das nennen soll...
Die Schlange vor dem offiziellen Wechselbüro ist gut 20
Meter lang, wird aber relativ schnell abgearbeitet. Zum Wechseln der Euroscheine muss man als
Tourist einen Pass vorzeigen (eine Fotokopie wie in unserem Fall reicht
allerdings auch). Dann wird sorgfältig notiert, wie viel Geld der wohlfeile
Herr Ehrhardt und die ebenso wohlfeile Frau Glenk denn nun eingewechselt
bekommen haben.
Das mit dem Geld ist in Kuba ein bisschen komplizierter als
im Rest der Welt. Kuba ist eigentlich ein sehr armes Land. Und wenn man den
Touristen das Leben genau so günstig anbieten würde wie es das Einkommen des
gemeinen Kubaners zulassen würde, wäre Kuba von Schmarotzern längst
aufgefressen worden. Also hat man eine zweite Währung eingeführt, die
(eigentlich) nur für Touristen gilt. Sie heißt CUC, und ist genau 24 mal mehr
wert als der einheimische kubanische Dollar (CUB). So rennt also jeder Kubaner
alle paar Tage zur Bank und tauscht seine inzwischen „verdienten“ CUCs in CUBs.
Im Gegensatz zum Touristen bekommt er seine Lebensmittel nur auf Schein, dafür
aber eben sehr günstig. Angeblich muss kein Kubaner hungern. Steuern zahlt er
auch keine und sein Haus oder seine Wohnung hat ihm der Staat geschenkt! Alle
verdienen mehr oder weniger gleich viel (oder gleich wenig), was in der
Realität zu einer großen Zufriedenheit der Mehrzahl der Bewohner geführt haben
soll. Nun kann man ja denken, dass jeder Kubaner, der auf irgendeine Weise an
die CUCs kommt, dafür 24 mal so viele CUBs bekommt und demnach förmlich im Geld
schwimmen müsste. Tatsächlich bezahlt er aber dafür, irgendein kleines Geschäft
führen zu dürfen, gründliche Lizenzgebühren an den Staat. Ein Zimmervermieter
muss beispielsweise pro Zimmer 150.- CUCs Lizenz pro Monat zahlen – egal, ob
jemand in seine Datsche einzieht oder nicht. Und der Kneipier zahlt nicht nur
viel höhere Lizenzen, sondern auch den Einkauf der teuren Spirituosen, die ihm
die Touris dann wegtrinken. Für CUBs bekommt er nichts Gescheites. Es ist also
alles so ähnlich wie in der ehemaligen DDR. Nur gegen die entsprechende Währung
bekommt man alles. Eine Menge ökonomischer Neuerungen, die Fidel Castros Bruder
Raoul eingeführt hat, ermöglichen den Kubanern inzwischen also kleinere
Geschäfte auf eigene Kasse. 225 Berufe dürfen die Kubaner inzwischen auf eigene
Rechnung ausüben. Vom Friseur bis zum Taxifahrer. Bis Ende 2014 will die Regierung 200.000 Bürger "verselbstständigen". Es geht aufwärts, heißt es.
Mal sehen, ob wir das verifizieren können. Für die Kubaner stirbt die Hoffnung
zuletzt.
Durch Zufall haben wir die Hauptstraße der Altstadt gefunden
und taumeln ziellos in und her. Im „CAFÉ PARIS“ dann endlich ein richtiger
Kaffee. Ein leckerer Capuccino bringt uns wieder auf die Beine. Eine halbe
Stunde später entdecken wir vor dem „CAPITOL“, das ist eine Kopie des amerikanischen Original-Capitols von Cubas früherem Menschenschinder "BATISTE", einen offenen Doppeldeckerbus. Für gerade mal 5 CUCs dürfen wir damit
den ganzen Tag durch die Gegend fahren und uns Havanna von allen Seiten
ansehen. Das machen wir natürlich und klappern Viertel für Viertel die Stadt
ab. An der Küstenstraße werden wir leider oft nass gespritzt, weil die Wellen
inzwischen einen Gang zugelegt haben und bis in den ersten Stock unseres Busses
spritzen. Wir sehen traumhafte Wohnviertel, größtenteils renoviert oder
zumindest bewohnt, sehen aber auch viele zerbröselte Bauwerke, deren
Wiederaufbau Unsummen verschlingen wird. Die Unesco mit Ihrem Weltkulturerbe
arbeitet ja daran, Kuba wieder auf Vordermann zu bringen, was die Bausubstanz
angeht. Kuba hat übrigens rund 11 Miliionen Einwohner, von denen rund 2,3 Millionen alleine in Havanna leben. Wir sehen den riesigen Friedhof mit seinen Tausenden von Mausoleen und
Grabsteinen, wir bewundern das Delfinarium mit seinem Wasserpark, wir staunen
über so eine Art „Platz der Republik“, der wohl für politische Kundgebungen
gedacht ist und von politischen Bauten umzäunt ist, von dessen Hauswänden
abstrakte Metallprofile der beiden Übermenschen Che Guevara und Fidel Castro
prangen.
Aus lauter Bequemlichkeit steigen wir nie aus, obwohl es sich bei dem Bus um so eine Art „Hop On – Hop Off“ - Bus nach westlichem Vorbild handelt. Immer wenn wir in die Küstennähe kommen, wird es eisekalt und dere Wind zerzaust uns die Frisuren. Nur selten scheint uns die Sonne auf den Schädel. Zum Glück, muss man sagen, haben wir doch beide nach der Tour einen gehörigen Sonnenbrand im Gesicht. Irgendwo hört die Tour unvermittelt auf – wir sollen bitte einen anderen Bus besteigen. Da wir bisher noch nicht einmal ein Ticket bekommen haben, würde dies bedeuten, im neuen Bus erneut zahlen zu müssen. Das wollen wir nicht und laufen dann doch lieber noch mal durch die Hauptstraße der „Vieja“, der Altstadt. Durch das systematische Erkunden der Stadt mit dem offenen Doppeldecker haben wir jetzt auch einen ziemlich guten Plan der Metropole im Kopf. Nach weiteren gefühlten 20 Kilometern Fußmarsch (OK, es waren höchstens zwei Kilometer...) halten wir dann doch so eine amerikanische Kiste an, die uns schnell und einigermaßen komfortabel ins Hotel bringt. Auf die Frage nach den Fahrtkosten überlässt uns der Fahrer, den Preis selbst festzulegen. Ich biete ihm drei CUCs und er bedankt sich überschwänglich. Dass er uns damit eher verhöhnt hat, merken wir erst im Lauf der Tage, da die Fahrt mit dem Amischlitten in der Regel um die zehn CUCs kostet. Daggi ist ziemlich groggy und legt sich kurz aufs Ohr, während ich mich an den Pool setze, einen Cuba Libre schlürfe und die ersten Seiten dieses Blogs schreibe.
Fidel aus Metall |
Aus lauter Bequemlichkeit steigen wir nie aus, obwohl es sich bei dem Bus um so eine Art „Hop On – Hop Off“ - Bus nach westlichem Vorbild handelt. Immer wenn wir in die Küstennähe kommen, wird es eisekalt und dere Wind zerzaust uns die Frisuren. Nur selten scheint uns die Sonne auf den Schädel. Zum Glück, muss man sagen, haben wir doch beide nach der Tour einen gehörigen Sonnenbrand im Gesicht. Irgendwo hört die Tour unvermittelt auf – wir sollen bitte einen anderen Bus besteigen. Da wir bisher noch nicht einmal ein Ticket bekommen haben, würde dies bedeuten, im neuen Bus erneut zahlen zu müssen. Das wollen wir nicht und laufen dann doch lieber noch mal durch die Hauptstraße der „Vieja“, der Altstadt. Durch das systematische Erkunden der Stadt mit dem offenen Doppeldecker haben wir jetzt auch einen ziemlich guten Plan der Metropole im Kopf. Nach weiteren gefühlten 20 Kilometern Fußmarsch (OK, es waren höchstens zwei Kilometer...) halten wir dann doch so eine amerikanische Kiste an, die uns schnell und einigermaßen komfortabel ins Hotel bringt. Auf die Frage nach den Fahrtkosten überlässt uns der Fahrer, den Preis selbst festzulegen. Ich biete ihm drei CUCs und er bedankt sich überschwänglich. Dass er uns damit eher verhöhnt hat, merken wir erst im Lauf der Tage, da die Fahrt mit dem Amischlitten in der Regel um die zehn CUCs kostet. Daggi ist ziemlich groggy und legt sich kurz aufs Ohr, während ich mich an den Pool setze, einen Cuba Libre schlürfe und die ersten Seiten dieses Blogs schreibe.
Später erkundige ich mich in einem kleinen Büro über der
Rezeption unseres Hotels, was man denn so an Touren buchen könnte. Und schon
überredet mich die Dame, heute Abend zunächst einmal zu einem Konzert vom
„Bueno Vista Social Club“ zu gehen, für lausige 30 CUCs pro Person. Sogar der
Enkel des Gruppenbosses wäre dabei sowie eine Menge anderer Superstars dieser
einschlägigen Musikrichtung. Beginn 21.45 Uhr im Havanna Rum Museum irgendwo im
Hafen.
Ich bin so aufgekratzt, dass ich Dagmar wieder aus dem
Schlaf reiße und ihr die Neuigkeiten erzähle. Dem Mädel geht es gar nicht
sonderlich gut. Obwohl wir den ganzen Tag Bus gefahren sind, hat sie Zug
abgekriegt. Aber das verlockende Abendprogramm bringt sie dann doch dazu,
wieder auf die Beine zu kommen. Also wieder mit dem Taxi in die Altstadt, ins
„CAFÉ PARIS“ und dort fürstlich zu Abend gegessen. War zumindest der Plan.
Leider war die Musik extrem laut und das Essen extrem schlecht. Wir hätten
Nudeln oder Pizza bestellen sollen, die sahen ganz ordentlich aus, aber meine
Fleischplatte mit undefinierbaren Fleischfetzen längst verstorbener Haustiere
wäre dann doch eher für die Fütterung derselben als zu meiner leiblichen
Erbauung geeignet gewesen.
Weil es so voll war, platzierte uns der Kellner ein Pärchen
aus deutschen Landen, sogar aus Frankfurt an den Tisch. Frankfurt an der Oder
allerdings, wie wir schnell am Dialekt gemerkt haben. Die beiden hatten über
Weihnachten ihre Tochter besucht, die hier in Kuba wohl ein paar Monate zu
leben gedachte. Die beiden waren recht sympathisch und wir hatten dann zwei
Stunden lang eine nette Unterhaltung, wenn sie sich auch eher schreiend als
sprechend vollzog. Die Band war wirklich sehr laut.
Kurz vor neun mussten wir uns dann verabschieden, um noch
einen guten Platz im „Museum des Kubanischen Rums“ zu ergattern. Auch hier
blieb uns nur eine Taxifahrt übrig. Je später der Abend, desto teurer wurde
übrigens auch das Taxi.
Das Museum entpuppte sich als grandiose alte Villa im
spanischen Stil mit einer tollen Einrichtung. Wir bekamen zwei recht
ordentliche Plätze zugeteilt und durften zur Begrüßung jeder einen „Mojito“
verputzen. Pünktlich um 21.45 Uhr begann das Spektakel, das auch ganz wunderbar
war mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass es sich leider nicht um den Original
Buena Vista Social Club mit seinen vielen Hundertjährigen handelte, sondern
„nur“ um den Enkel eines der ehemaligen Mitglieder, der ein paar Jungs und
Mädels zur Unterstützung mitgebracht hatte. Der Stimmung tat das keinen
Abbruch, diverse Mojitos brachten die Besucher zum Mitklatschen und Mittanzen.
Sogar Zigarren wurden unentgeltlich verteilt. Ich Depp habe dankend abgelehnt,
weil ich ja Nichtraucher bin. Dagmar, ebenfalls nicht (mehr) qualmabhängig, hat
sich die Zigarre mitgenommen und wird demnächst irgendeinen Bekannten damit
erfreuen. Knapp zwei Stunden lang wurden wir vortrefflichst beschallt, dann
wurde es Zeit, nach Hause zu fahren. Das Taxi sollte plötzlich 10 CUCs kosten,
obwohl das ganze Auto höchstens noch 9 CUCs wert war. Da sind wir doch lieber
ein paar Meter gelaufen und sind dann mit einem anderen Taxi, das trotz seiner
30-jährigen Geschichte noch nie eine Werkstatt gesehen haben konnte, für nur 5
CUCs nach Hause gefahren.
Das Wasser war immer noch kalt, das Klopapier alle und die
hauseigene Disco machte durch bis morgen früh. Egal, schön war´s doch.
DER ZWEITE TAG
Der zweite Tag in Havanna, aber schon der dritte Tag ohne
Internet. Außerdem klappt das mit der SMS bei meinem Handy nicht. Ich kann zwar
SMS empfangen, aber nicht versenden. Weiß der Geier, wo die Jungs bei Apple da
wieder einen kleinen Schalter versteckt haben, dessen Funktion einem nicht
einleuchtet. Ach ja, mein Plan, mit einem alten iPhone 4, das nicht mehr mit
der Telekom „verheiratet“ ist und einer kostengünstigen SIM-Karte zu
sozialistischen Brüderpreisen zu kommunizieren, ist leider auch geplatzt. In
Kuba gibt es keine Mini-SIMS. Die SIMS, die es gibt, darf man nicht
zerschneiden, weil man sie zurückgeben muss. Außerdem ist Telefonieren
sauteuer. Pro Tag sechs CUCs plus die normalen Telefonkosten, die bei
Transatlantikgesprächen schnell einen (kubanischen) Monatslohn ausmachen. Die
Telekomiker verlangen „nur“ 2,88 Euro pro angefangener Minute für abgehende und
1,78 Euro für eingehende Ferngespräche. In meinem eMail-Fach müssten jetzt
schätzungsweise 400 Mails liegen, davon 350 SPAMs und 50 Jahreswechselwünsche.
Alle, die sich gewundert haben, warum ich ihre Wünsche so permanent
unbeantwortet gelassen habe, wissen jetzt also, warum.
Um neun erscheinen wir im Frühstücksraum. Viele andere
leider auch. Wir müssen warten, bis ein Tisch frei wird. Danach buchen wir eine
erste Tour für den kommenden Mittwoch und laufen zu Fuß ins Stadtzentrum.
Dagmar geht es zwar wieder etwas besser, dafür kann sie aber nicht mehr reden.
Stimme weg. Böse Zungen werden jetzt behaupten, da solle man doch dankbar sein
und mich um mein Glück beneiden, aber das wäre doch etwas kurz gedacht.
Irgendwie fehlt mir ihr Geplapper. Sie kann jedenfalls so gut wie gar nicht
mehr reden und muss ihre Stimme schonen. Das weckt natürlich den
Beschützerinstinkt in mir.
Wir bummeln also stadteinwärts auf einer Straße, die
Touristen üblicherweise nicht zu sehen bekommen. Hier sind die Preise nicht in
CUCs, sondern in CUBs angegeben. Die Gebäude sind leider auch alle ziemlich
baufällig, die Straßenbeläge und Bürgersteige brüchig und es ist sehr wenig
Farbe im Spiel. Wenn man sich die Häuser genauer ansieht, kann man ahnen,
welche Prachtbauten das früher waren, aber viel ist davon derzeit wenig zu
sehen.
Wir wollen eigentlich das „CAPITOL“ besichtigen, aber da
wird derzeit gebastelt, so dass wir enttäuscht wieder Richtung Altstadt laufen.
Plötzlich werden wir von der Seite von einem jungen Pärchen angequatscht. Wie
es uns geht, woher wir kämen, wie wir Havanna fänden – die ganze Litanei.
Dagmar ist ein sehr höflicher Mensch und hat bereitwillig alle Fragen krächzend
beantwortet. Ich bin noch sehr zurückhaltend – man liest ja immer wieder, wohin
so was führt. Ausraubung, Folter, Vergewaltigung, Tod auf einer Müllhalde.
Nun, die beiden sind zugegebenermaßen sehr nett und
sympathisch und überreden uns, irgendein Tanzlokal anzusehen, in dem Rumba oder
Salsa oder beides getanzt würde (was mich übrigens nicht im geringsten
interessiert). Das Lokal – rund 200 m entfernt, ist natürlich geschlossen, aber
gaaanz zufällig ist eine gaaanz tolle Kneipe direkt nebenan, in die uns die
beiden auf einen – alkoholfreien! - Mojito einladen. Wir kommen also ins
Gespräch. Er ist Koch in einer Grundschule, sie ist Kindergärtnerin. Beide
verdienen so etwa 350 CUBS im Monat. Etwa 15 CUCs sind das – oder elfeinhalb
Euro. Im Monat! Das Essen ist umsonst und rationiert, die Wohnung wurde ihnen
vom Staat geschenkt, das Wort Steuern kennen sie nicht. Aber 350 CUBs reichen
natürlich vorne und hinten nicht. Das Mädel bittet Dagmar, mit ihr zusammen
Milchpulver für ihren kleinen Jungen zu kaufen, weil die Zuteilungsmenge dem
Kind einfach nicht ausreicht. Das Pulver gibt es aber nur gegen CUCs, die sie
nicht hat. Daggi hilft ihr natürlich und ist im Nu 24 CUCs los. Dafür hat das
Kind jetzt wochenlang zu trinken. Ihr Freund oder Mann bittet mich zum Glück
nicht, ihm ein iPhone oder ein Auto zu schenken. Aus Dankbarkeit, so günstig
weggekommen zu sein, zahle ich natürlich die Gesamtrechnung. 44 CUCs haben die
beiden alkoholfreien Runden Mojito gekostet, da cucste!
Ein nettes Paar |
Ich will nicht diskutieren und zahle den Wucher.
Wahrscheinlich macht der junge Mann mit dem Wirt halbe halbe. Egal, war ein
nettes und informatives Gespräch über die Schattenseiten des Sozialismus. Und
die Gefahr, dass uns die beiden in Deutschland besuchen kommen, jetzt, da Raoul
Castro die Reisefreiheit angekündigt hat, ist auch nicht besonders groß. Allein
für das Flugticket müssten die beiden rund 10 Jahre sparen, ohne auch nur einen
einzigen CUB ihres Gehaltes auszugeben. Fairerweise muss gesagt werden, dass
uns die beiden offensichtlich in ihr Herz geschlossen haben, denn wir beide
werden innig umarmt, als wir uns dann vor der Kneipe von ihnen verabschiedeten.
Und wer weiß, vielleicht sehen wir sie ja wieder: Das Mädel hat Dagmar eine
Liste besonders schöner Kneipen, Restaurants und Sehenswürdigkeiten
aufgeschrieben, die wir wahrscheinlich auch noch abklappern werden.
Die vielen ungeplanten Ausgaben haben unseren CUC-Bestand
schneller schmelzen lassen als wir das vorhatten. Also bleibt uns nichts
anderes übrig als uns wieder in die Schlange vorm Geldwechselinstitut
einzureihen. Leider ist die diesmal bedeutend länger. Eine Stunde und vierzig
Minuten brauchen wir, um unsere paar Euros in die konvertible Landeswährung
umzutauschen! Um viertel vor drei bekommen wir dann endlich unser Mittagessen,
aus unerfindlichen Gründen sind wir wieder im „CAFÉ PARIS“ gelandet. Ich will
Spaghetti, aber die sind alle. Daggi will eine bestimmte Pizza, aber die gibt
es auch nicht mehr. Außerdem spielt eine neue Band am laufenden Band kubanische
Guantanameras. Ein Taxi bringt uns ins Hotel, wo wir einen großen Batzen des
Geldes gleich wieder für eine weitere Tour am Donnerstag und Freitag ausgeben.
Im Moment ruht die Dame des Hauses und ich sitze bei einem Bier am Pool und
tippe diese Zeilen.
Heute ist Sylvester und wir wollen ja noch was erleben! Wir
haben nichts fest gebucht. Der Plan lautet: Rumziehen, zugucken, zuhören,
trinken, lachen und das neue Jahr begrüßen. Wie´s wirklich war, schreibe ich
dann morgen...
SILVESTER
So gegen 19 Uhr ziehen wir los. Erstaunlicherweise steht
kein Taxi vor der Tür, nur ein sogenanntes „Coco“, eine von diesen
Plastik-Minikisten mit Nähmaschinen-Motörchen, die beim leisesten Windstoß
umfallen. Unser Reiseführer „Marco Polo“ hat uns die Nutzung dieser
Organspenderkutschen nicht empfohlen – also nehmen wir mal wieder den Fußweg in
die Altstadt. Wir gehen durch eine für uns neue Straße, die offensichtlich für
die einheimische Bevölkerung gedacht ist. Günstige Kleidergeschäfte, kleine
Cafes und selbst komplette Kaufhäuser säumen die Straßenränder. Dafür nagt
leider überall der Zahn der Zeit. Auch hier sieht alles aus, als würde es jeden
Moment vor unseren Augen zerbröseln. Ich mache ein paar Fotos von der
Elektroinstallation in den Häusern, bei deren Anblick jeder gelernte Elektriker
augenblicklich in Ohnmacht fallen dürfte, so wild wird hier kreuz und quer –
ohne jede Isolierung oder Abdeckung – frei verkabelt. Die meisten Steckdosen
haben 110 Volt, nur neuere Bauten bieten schon 220 Volt an. Für unsere
Handy-Netzteile ist dies von untergeordneter Bedeutung, da deren
Schaltnetzteile immer automatisch die richtige Spannung und Stromstärke zur
Verfügung stellen, die zum Laden der Geräte benötigt werden. Nur mit dem Fön
haut es leider nicht hin. Der lässt sich nicht auf 110 Volt umstellen und
pustet daher nur mit halber Kraft durch mein schütteres Haar. Na ja, dann passt
es ja wieder.
Kurz vorm „CAPITOL“ versucht ein Pärchen mal wieder, den
Trick des Vormittags bei uns anzuwenden. Aber wir sind ja nun gewarnt und
können uns der „Empfehlungen“ der Touristenjäger erwehren und die beiden
schnell abschütteln. Da es noch etwas zu früh für das Abendessen ist, versuchen
wir, im Cafe „FLORIDATA“ einen Drink zu bekommen. Das ist das wohl berühmteste
Cafe der Altstadt, weil sich dort ein gewisser Ernest Hemmingway regelmäßig die
Kanne gegeben hat. Aber leider kommen wir nicht rein, da das Lokal heute nur
für Essensgäste geöffnet ist. Also weiter. In der uns nun schon sehr vertrauten
Hauptstraße des Viertels finden wir auch bald ein sehr schönes Lokal, das für
20 CUCs ein umfangreiches Silvestermenü anbietet. Es gibt einen
Willkommenscocktail, ein Süppchen, Fleisch – oder Fischbatzen, Nachtisch und
Cafe. Wir trinken Mojitos und Bier. Schnell füllt sich das Lokal und genauso
schnell steigt die Lautstärke um uns herum an. Wenn es in Havanna eine Regel
für erfolgreiche Gastronomie gibt, dann lautet sie: je lauter, desto besser.
Wenn um einen herum nicht mindestens die Lautstärke eines startenden Jumbojets
herrscht, fühlt sich der Kubaner nicht wohl. So auch hier. War schon die Musik
aus den quäkenden Lautsprecherboxen eine Zumutung, wird es mit dem Aufspielen
der obligatorischen Band zur Qual. Leider haben die Jungs auch einen
Querflötenspieler dabei, dessen Gefiepse jeden Tinnitus in den Schatten stellt.
An Unterhaltung ist nicht mehr zu denken. OK, Dagmar kann ja sowieso nicht mehr
reden. Jeder Versuch einer Äußerung wird mit starken Halsschmerzen bestraft.
Wenigstens gibt´s was für´s Auge: eine 1:1-Kopie der
unsterblichen Romy Schneider taucht zusammen mit ein paar Freunden auf, um
ebenfalls hier zu feiern. Das hübsche Wesen flirtet mit den Musikern, dass es
schon fast peinlich ist. Sie tanzt mit der Band, in der Band, vor der Band und
reißt ihre ganzen Kumpels und viele andere Touristen mit. Ein kurzes Video von
ihr stelle ich demnächst mal ins Internet. Inzwischen ist es zehn und wir
wechseln das Lokal. Auch hier ist es so laut, dass wir nicht lange bleiben. Im
dritten Lokal (bei weiteren Mojitos) halten wir es auch nur eine halbe Stunde
aus. Das Touristenviertel ist am Überquellen. Vor der Kathedrale soll ein
großes Spektakel stattfinden. Da der Eintritt (samt Silvestermenü)130.- CUCs
betragen hätte, haben wir davon Abstand genommen. Aber jetzt, so kurz vor
Mitternacht, wollen wir versuchen, einen Blick auf die Tänzerinnen und Tänzer
zu werfen. Leider ist es nicht möglich, da die Veranstalter den Platz ringsum
hermetisch abgeriegelt haben. Durch einen Schlitz kann man wenigstens von der
Seite ein paar Sekunden lang zusehen, was da auf der Bühne gezeigt wird. Es ist
definitiv keine 130.- CUCs wert. Also ab in die „LE BODEGUITA DEL MEDIO“ – den
anderen Ort in Havanna, den Ernest Hemingway mit seinem regelmäßigen Besuch
veredelt hat. Aber auch hier drin ist es so laut und überfüllt, dass wir nach
wenigen Minuten das Weite suchen. Plötzlich entdecken wir ein Restaurant, das
wir bisher noch nicht gesehen haben. An der Bar sind noch Plätze frei, die Musik
ist erträglich und der Mojito schmeckt vorzüglich. Auch hier tritt nach ganz
kurzer Zeit wieder eine Band auf. Diese drei Herren haben aber einiges mehr
drauf als die meisten Bands, die wir bisher anhören mussten. Fairerweise lassen
sie „Guantamera“ weg und bekommen dafür auch ein dickes Trinkgeld.
Getanzt wird immer, überall. |
Mitternacht naht. Die Wirtin bereitet bereits Drinks für
alle Essensgäste vor, zu denen wir ja nicht gehören. Also bestelle ich nochmals
zwei Mojito und gehe mit Dagmar vor die Tür, um den Jahreswechsel abzuwarten
(In Deutschland ist es übrigens bereits sechs Uhr morgens). Um Punkt zwölf
hören wir 12 Kanonenschüsse im Abstand von etwa zwei Sekunden. Weintrauben
werden nicht gereicht – diesen Brauch scheint es nur in Spanien zu geben. Wir
stoßen miteinander an, sonst mit niemandem. Wir sind allein in der Fremde. Im
Lokal läuft eine Art Neujahresvideoclip mit Fidel persönlich. Er hält keine
Rede, sondern ist nur in vereinzelten Filmausschnitten zu sehen, die alle schon
sehr alt sein müssen. Der Sprecher beschwört dazu den Sozialismus, lobt die
Revolution und dankt Fidel. Che und Raoul Castro für ihre Unterstützung. Die
Umstehenden klatschen in die Hände und weinen hemmungslos. Ich habe auch Tränen
in den Augen. Die Macht der Medien ist immer wieder eindrucksvoll.
Was nun?
Da wir niemanden kennen, Dagmar nur noch krächzt und wir
beide keine Lust auf weitere fünf Stunden Krach mit Mojito haben, beschließen
wir, den Abend zu beenden. Gleich das erste Taxi, das wir sehen, ist frei und
fährt uns ins Hotel zurück. Es ist ein Chevrolet, der im selben Jahr gebaut
wurde, in dem Dagmar zur Welt kam. Man muss fairerweise sagen, dass Dagmar
bedeutend besser in Schuss ist als der Chevrolet, ihr Fahrgestell niemals
klappert und bei ihr auch nirgendwo der Lack abplatzt. Außerdem verbraucht
Dagmar bedeutend weniger Sprit. Obwohl – da bin ich mir jetzt nicht ganz so
sicher...
Jedenfalls trinkt Dagmar an der Bar noch ein Bier; ich
schaffe kein Getränk mehr. Nicht aus Gründen übermäßigen Alkoholgenusses,
sondern weil die viele Säure der Mojitos meinen Magen einfach überreizt hat.
Das war Silvester, brav wie selten.
NEUJAHR
Wir hatten uns vorgenommen, den Tag mal so richtig ruhig
anzugehen. Also spät aufstehen, schön frühstücken und dann einfach ein bisschen
rumzubummeln. Dagmar legte sich nach dem Frühstück noch einmal hin und schlief
bis Mittag durch. Ich nutzte die Zeit, um doch noch einmal eine
Internetverbindung zu bekommen. Im Hotel gab es zwar vier Rechner, mit denen
man theoretisch ins Internet kommen könnte, aber entweder waren die besetzt,
defekt oder es gab keinen Zugang. Heute am ersten Januar war es anders. Die
Rechner waren frei, es gab eine Codekarte für 6 CUCs für eine Stunde
Verbindungszeit. Die Hälfte davon verbrauchte ich, um überhaupt auf mein
Mailkonto zu kommen. Dort waren inzwischen ca. 180 Mails eingetroffen, also
deutlich weniger als befürchtet. Das Anzeigen einer Mail dauerte ca. 30
Sekunden, Antworten abschicken doppelt solange. Manchmal blieb das Ding aber
auch einfach stehen und es passierte nichts mehr. Das Löschen mehrerer Mails
auf einmal führte ständig zu Fehlermeldungen. Außerdem war die Maus kaputt.
Nach einer Stunde hatte ich gerade mal fünf Mails gelesen und beantwortet.
Raoul, ich schreibe es hier noch einmal deutlich: da besteht Handlungsbedarf! So
schön Kuba ist, ohne Internet fühlt man sich hier wie im letzten Jahrhundert.
Ich ging frustriert ins Hotelzimmer, wo Dagmar sich gerade
ausgehfein gemacht hatte, wir wollten ja noch ein bisschen rumbummeln.
Es wurde dann doch wieder ein Fußmarathon. Wir liefen die
Küstenstraße, die sogenannte „MALECON“, westwärts so weit wir konnten. Dann
links ab in Richtung Zentrum. In einem großen Hotel, das ich noch von meinem
letzten Kuba-Aufenthalt kannte, speisten wir zu Mittag. Dann weiter zu Fuß
durch die Stadt. War irgendwie nicht sonderlich prickelnd, da heute nicht nur
Neujahr war, sondern auch ein nationaler Feiertag. Das bedeutete, dass nahezu
alle Geschäfte geschlossen und alle Einheimischen zuhause waren oder auf der
Straße rumstanden. Also doch wieder ins Touristenviertel in der Altstadt! Da
der Weg dorthin zu Fuß nun doch ziemlich lang war, nahmen wir ein menschliches
Taxi, also ein Fahrrad mit Fahrer, der uns bis zum „CAPITOL“ strampelte.
Der Mann kam ganz schön ins Schwitzen, was ihm aber nicht geschadet hat, denn wie so viele Kubaner hatte er eine Menge Speck zuviel am Körper. Ich weiß, wer im Schlachthaus sitzt, sollte nicht mit Schweinen werfen, aber es muss doch mal gesagt werden: Vor allem Havannas Damen scheinen sich ausschließlich von Zucker und Fett zu ernähren. Je dunkler die Hautfarbe, desto schwerer der Körper. Damit man das Gewicht auch schön sehen kann, schmücken sich die dicken Damen mit hautengen knallbunten Klamotten, die aber auch jede Speckfalte schön zur Geltung bringen. Vor allem Netztstrümpfe mit rausquellenden Fettpolstern scheinen kubanische Männer glücklich zu machen. Und die Rocklängen verkürzen sich analog zum Umfang der Trägerin. Je fetter, desto kürzer. Ich hoffe, dass wir in Deutschland vor dieser Mode verschont werden.
Taxi mit 1 MS (=Menschenstärke) |
Der Mann kam ganz schön ins Schwitzen, was ihm aber nicht geschadet hat, denn wie so viele Kubaner hatte er eine Menge Speck zuviel am Körper. Ich weiß, wer im Schlachthaus sitzt, sollte nicht mit Schweinen werfen, aber es muss doch mal gesagt werden: Vor allem Havannas Damen scheinen sich ausschließlich von Zucker und Fett zu ernähren. Je dunkler die Hautfarbe, desto schwerer der Körper. Damit man das Gewicht auch schön sehen kann, schmücken sich die dicken Damen mit hautengen knallbunten Klamotten, die aber auch jede Speckfalte schön zur Geltung bringen. Vor allem Netztstrümpfe mit rausquellenden Fettpolstern scheinen kubanische Männer glücklich zu machen. Und die Rocklängen verkürzen sich analog zum Umfang der Trägerin. Je fetter, desto kürzer. Ich hoffe, dass wir in Deutschland vor dieser Mode verschont werden.
Klar, es gibt auch sehr viele sehr schlanke Mädchen. Vor
allem die ganz jungen, so bis 18, 19 Jahren haben noch ihre Traummaße. Das sind
auch die, die in unserem Hotel jeden Abend die Discothek aufsuchen, um sich
dort bei ein paar Longdrinks in Exstase zu tanzen. Dabei tragen sie Schuhe, die
eigentlich dem Kriegswaffengesetz unterstehen müssten. Stilettos mit
meterlangen Absätzen und Klumpschuhe, auf denen beim besten Willen kein Mensch
jemals grazil laufen kann. Die Musik unterscheidet sich übrigens kaum von der üblichen
Musikmatsche, die wir auch bei uns im Radio derzeit angeboten bekommen, nur
eben auf spanisch. Vielleicht kommt noch ein Abend, an dem ich angetrunken
genug bin, mich in unsere Discothek mal selbst reinzutrauen...
Wo war ich stehen geblieben? Ach ja, wir waren wieder in der
Altstadt. Heute hat man uns ins „FLORIDATA“ eingelassen. Das Lokal Hemmingways,
wie schon erwähnt. Der Meister persönlich saß an der Theke. Nein, das geht ja
nicht – der hier war aus Messing, sah aber absolut lebensecht aus. Viele
Touristen ließen sich mit ihm fotografieren. Wir schlürften zwei Daikiri – der
übrigens hier erfunden wurde – und ertrugen wie üblich die Band, den CD-Verkauf
und „Guantamera“.
Weiter im Programm:
Zum xsten Male bummelten wir durch „unsere“ Straße, immer
wieder was Neues entdeckend. Die Wechselstube war selbst heute geöffnet und die
Schlange davor nur wenige Meter lang. Am „PLACE DE LAS ARMAS“ war wieder der
kleine Flohmarkt aufgebaut und wir hatten Zeit und Muße, uns diesen etwas
genauer anzuschauen. Unter anderem sah ich einen Stand mit alten Uhren.
Richtige, teure, goldene Uhren aus den 1930er bis 1960er Jahren. Lauter
bekannte französische Namen und alle intakt. Nun gut, die Vergoldung war nicht
immer perfekt, die Ziffernblätter vergilbt und die Armbänder fehlten komplett,
aber ich war sicher, dass hier wahre Schätze zu finden waren. Eine „Baume &
Mercier“ hatte es mir besonders angetan. 200 CUCs oder 160.- Euro sollte das
gute Stück kosten. Ich habe allerdings keine Ahnung, was eine Restaurierung des
Antiquariats kosten würde. Daggi fand einen Comic über die Revolution mit
lauter Sammelbildchen drin für 10.- CUCs als Faksimile oder 80 CUCs im
Original, natürlich vollständig. Unser Freund Micky Waue, ein passionierter
Sammler von Plakaten, Comics und Blechschildern, würde sich keinen Meter von
diesem Flohmarkt entfernen, bevor er ihn nicht restlos leergekauft hätte.
Mal sehen, wie lange das Stück aus den 40er Jahren noch läuft... |
Wir aber vertagten einen eventuellen Kauf und zogen weiter.
Am Hafen tranken wir noch einen Kaffee und auf dem Platz der Kathedrale noch einen
lieblos gemixten Drink. Dann war es schon wieder Zeit für das Abendessen.
Eigentlich wollten wir ja am Hafen in ein schönes, sehr günstiges
Fischrestaurant gehen, aber auf dem Weg dorthin entdeckten wir einen Italiener,
der trotz dezenter musikalischer Live-Unterhaltung sehr einladend aussah. Bis
auf den Cesar´s Salad, der eine einzige Matsche war, waren sowohl Essen als
auch der Wein vom Feinsten. Satt und zufrieden fuhren wir mit dem Taxi ins
Hotel. Morgen sollte unser erste Tour beginnen.
DER VIERTE TAG – VIÑALES
Das iPhone weckte uns um sechs Uhr dreißig. Wenigstens EINE
Funktion, die das Gerät hier noch ausüben konnte. Internet gibts ja nicht. Die
eiskalte Dusche vertrieb mir schnell die letzte Müdigkeit. Sieben Uhr
Frühstück, sieben Uhr dreißig Abholung vor dem Hotel. So war zumindest der
Plan. Tatsächlich kam unsere Reiseleitung erst kurz vor acht und es dauerte
noch eine weitere Stunde, bis wir endlich den Bus mit Touristen vollgepackt
hatten. Insgesamt musste der Chauffeur 15 Hotels anfahren, um die Leute
zusammenzuklauben. Viñales liegt ganz im Westen Kubas und bietet vor allem
eins: Natur pur. Aber es gab noch mehr zu sehen. Zunächst fuhren wir durch die
westlichen Randbezirke Havannas mit seinen wunderbaren Wohnbezirken. Zum einen
die „Marina“-Gegend. Schöne, intakte kleine Villen mit viel Grün – das
Wohngebiet der Besserverdienenden. Noch besser dann das sich anschließende
Diplomatenviertel. Die Villen schon ein ganzes Stück größer und die Grundstücke
geradezu verschwenderisch groß. Kuba unterhält diplomatische Beziehungen zu
rund 100 Staaten. Da ist man gerne Diplomat.
Auf dem Weg zum Ziel besuchten wir auch noch eine kleine
Rumfabrik. Mit Verköstigung. So früh hatte aber kaum einer Lust auf Alkohol.
Also weiter. Wir besuchten das Naturdenkmal „Loz Jamines“, an dem ein berühmter
Maler in den sechziger Jahren die Geschichte der Menschheit auf eine große
Felsfläche gemalt hat. Für Details verweise ich wie immer auf die einschlägige
Literatur, die den Umfang dieses Blogs sprengen würde.
Dann kamen wir nach Viñales. Ein hübscher Ort mit noch mehr
Natur sowie freilaufenden Rindern und Pferden. Und schon waren wir wieder raus
aus dem Ort. Das nächste Ziel war ein Farmer, der uns erklärte, wie man
Zigarren dreht. Tabak ist ja so ziemlich der bekannteste Exportartikel Kubas
und daher war es schon recht interessant, wie so eine „Havanna“ entsteht.
Zunächst wird der Samen in einem kleinen Feld eingesäht. Das passiert im
November. Etwa im März sind die Pflanzen ca. 30 Zentimeter hoch und werden in ein
größeres Feld umgesetzt, wo sie im Abstand von 50cm bis zu ihrer vollen Größe,
ca. 1,30m., aufwachsen. Dann werden sie gepflückt und ewig lange getrocknet.
Dafür haben die Farmer spezielle Hütten, die mit Palmblättern bedeckt sind. Und
in einer solchen Hütte standen wir nun rum und sahen zu, wie der Farmer ein
getrocknetes Tabakblatt zu einer Zigarre drehte und diese dann sogar anzündete
und reihum gehen ließ. Schon aus hygienischen Gründen haben wir da nicht
mitgemacht. Anschließend führte uns der Farmer in sein angebliches Wohnzimmer,
wo wir ein Käffchen aufs Haus trinken durften und Daggi eine Zehnerpackung
Zigarren erwarb – für wen auch immer. Draußen gackerten die Hühner, drinnen
roch es etwas streng nach Tabak, und alles in allem könnte ich mich auch nach
dieser idyllischen Demonstration heimeligen Landlebens nicht für ein solches
begeistern.
Dann ging es weiter zur Höhle „Cueva del Indio“, wo die
Ureinwohner Kubas sich vor Columbus versteckt hatten. Dass das nichts genützt
hat, ist ja inzwischen bekannt. Innerhalb der Höhle musste man durch einen ganz
engen Spalt kriechen, was ich im ersten Anlauf nicht geschafft habe. Erst
nachdem sich auch ein wesentlich dickerer Mann erfolgreich durchgezwängt hatte,
nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und quälte mich durch den Felsen, dabei im
Geiste den deutschen TÜV lobend, der sowas nie zugelassen hätte.
Am Ende der Höhle stiegen wir dann in ein Motoboot um, das
uns noch eine Weile durch die Tropfsteinhöhle kutschierte. Endlich wieder
draußen, gab es lecker Mittagessen. Ein nettes Pärchen, das auch bei uns im
Hotel wohnte, saß mit uns am Tisch. Vielleicht Australier, vielleicht Schotten
oder Iren – die ham so genuschelt...
Die obligatorische Band raspelte ihre drei Songs runter,
verkaufte ihre CD oder kassierte Trinkgelder,
während wir das durchaus gelungene Einheitsessen einnahmen. Anschließend
durften wir noch eine halbe Stunde frei rumlaufen, bevor wir wieder in den Bus
mussten und uns von der Reiseleiterin in brüchigem Englisch weitere Details
über Land und Leute einbläuen ließen.
So gegen 19.00 Uhr waren wir – nach der Freilassung der
anderen Touristen – wieder im Hotel. Auf der Suche nach einem Speiselokal
entdeckten wir keine zweihundert Meter entfernt an der Küstenstraße, am
„MALECÓN“, das Restaurant „CASTROPOL“, das in einer wunderschönen Prachtvilla
untergebracht ist und zu unschlagbaren Preisen unheimlich große Portionen Essen
anbot. Es war knallvoll, aber wir hatten Glück und erwischten einen Platz im
vorderen überdachten Innenbereich. Es gibt auch noch einen offenen Innenbereich
und einen zweiten Stock samt Balkon, der ebenfalls voll besetzt war. Da das
Lokal hauptsächlich von Kubanern besucht war, konnten wir uns eigentlich auf
die gute Küche verlassen – und wurden auch nicht enttäuscht. Das Essen kam zwar
ein bisschen schnell, aber viel reden konnte Dagmar ja sowieso nicht, obwohl es
langsam mit ihrer Stimme wieder bergauf ging.
Nach dem tollen Essen waren wir mal wieder ziemlich groggy.
Das frühe Aufstehen und die Strapazen der Tour steckte uns in den Knochen. Und
morgen früh sollte ja schon die nächste Tour starten – wieder um halb sieben..
Also nur noch mal schnell an der Bar geschaut, ob
irgendwelche bekannten Gesichter zu finden waren. Und genau so war es: Zunächst
begrüßte uns das englische/australische/schottische Paar, das tatsächlich aus
London kam und im Werbemarketing arbeitete. Er, Don, war außerdem Musiker und
fest entschlossen, die spezielle Gitarrentechnik kubanischer Musiker zu
erlernen, die sich sehr von der üblichen Art unterscheidet, Gitarre zu spielen.
Sie hieß Emma, war recht hübsch und ziemlich aufgedreht. Und schließlich war da
noch John, ein dicker Ire, den ich schon an den Computern kennengelernt hatte.
Er war daran gescheitert, seine Bordkarte auszudrucken, ohne die ihn RYANAIR
nicht an Bord lassen würde. Leider waren die Computer im Hotel tatsächlich in
keinster Weise mit dem einzigen Drucker verbunden, den das Haus aufzuweisen
hatte. Von USB-Sticks hatte hier auch noch nie jemand etwas gehört. Ich empfahl
ihm, das Dokument per Fax an das Hotel zu schicken, was zunächst wie eine
grandiose Idee klang. Leider hat unser Hotel kein Fax. Man könnte die
Boardkarte abfotografieren und das Foto am Schalter vorzeigen. Mit ein bisschen
Glück würde der Scanner den Code lesen können. Leider hatte John keinen
Fotoapparat. Angesichts dieser Umstände wäre es ja nicht unbedingt unklug
gewesen, die Bordkarte bereits vor dem Start in den Urlaub auszudrucken, aber
das erlaubt RYANAIR leider nicht. So befindet sich John derzeit in einer
schwierigen Situation. Mal sehen, ob RYANAIR ihn wieder mitnimmt. Selbst
schuld, mit dieser Fluggesellschaft zu reisen...
Noch so ein Prachtbau |
Jedenfalls kamen wir mit den dreien sehr schön ins Gespräch.
Angesicht unserer bevorstehenden Tour und dem damit verbundenen unmenschlich
frühen Aufstehen wollten wir aber so langsam zu
Bette. Ich sagte John nur noch wahrheitsgemäß, dass er mich in seiner
Art und Gestik, seiner Stimme und Ausdrucksweise sehr an einen Freund aus
Deutschland erinnere, der ein sehr bekannter Rundfunkmoderator sei: Werner
Reinke. John dachte einen Augenblick, ich wollte ihn auf den Arm nehmen: Er war
nämlich selbst AUCH Rundfunkmoderator mit einem eigenen Sender in Irland:
„playfm.com“ - einem der vielen Internetradios, die es inzwischen gibt. Na ja,
so haben wir dann doch noch unsere Lebensgeschichten miteinander ausgetauscht,
was immer wieder zu großen Überraschungen führte, denn ich war ja selbst auch
lange Radiomoderator und DJ. Dagmar und die Londoner tauschten sich über Musik
und englische Interpreten aus und hatten natürlich denselben Geschmack. John
war mehr ein Fan deutscher Schlagermusik, die ich ja selbst in meinen
Anfangszeiten mit produziert hatte. Surprise, surprise.
Na ja, es half alles nix, wir mussten ins Bett. Eine
herzliche Umarmung mit den beiden Londonern und eine Einladung für die beiden,
uns zu besuchen, beendeten den Abend. John wollte am Freitag wieder hier sein –
wir haben ihn aber nicht mehr gesehen. RYANAIR scheint ihn mitgenommen zu
haben.
DER FÜNFTE UND SECHSTE TAG – TRINIDAD und Umgebung
Diesmal waren wir schon lange vor dem Weckruf wach. So etwa
ab vier Uhr. Draußen vorm Hotel hatte sich die ganze Nacht eine Gruppe junger
Leute zum Feiern verabredet. Da wird dann auch gerne mal gesungen. Erst gegen
halb sieben verebbte der Lärm – aber da war es zu spät, nochmal die Augen zu
schließen. Unser Bus war pünktlich. Es war wieder ein chinesischer Bus der
Marke YUTONG, von dem man hier in Kuba Tausende sieht – sicher ein
Tauschgeschäft der Regierung gegen Öl oder Ärzte. Unser heutiger Reiseleiter hob
sich vor allem durch seinen gesegneten Appetit hervor. Nicht nur auf
Lebensmittel. Unterwegs stieg eine dralle Kubanerin ein, die ihm fortan
umschwänzelte und auch die Nacht mit ihm verbrachte. Klar, dass er da bei
Kräften sein musste. Vielleicht aß er aber auch nur auf Vorrat, denn außerhalb
der Touren dürfte bei ihm zuhause Schmalhans Küchenmeister sein. Sein Englisch
und damit auch sein Vortrag war bedeutend besser als am Tag zuvor. Der Fahrer
war ein sehr großer, hagerer Mann mit einem Hautpigmentproblem. Er war
teilweise schwarz, aber dann auch wieder weiß. Außerdem trank er literweise
Espresso und rauchte Kette.
Auf dem Weg nach Trinidad |
Unser Reiseziel sollte TRINIDAD sein. Die ersten Stunden
fuhren wir nur Autobahn und es gab herzlich wenig zu sehen. Die ideale
Gelegenheit also, den verlorenen Schlaf nachzuholen. An irgendeiner
Autobahnraststätte konnten wir dann langsam wieder zu uns kommen. Die erste
Stadt, die wir auf unserer Reise besuchten, heißt CIENFUEGO („Hundertfeuer“,
nicht verwandt mit Herrn Hundertwasser). Wir stoppten zunächst an einem großen
Platz im Zentrum der Stadt, der von Theater, Kirche und Regierungsgebäuden
umgeben war – eine Aufteilung, die man immer wieder in kubanischen Städten
findet. Wir nutzen die Gelegenheit, um mal wieder ein paar Euros umzutauschen
und hatten noch Zeit für einen Capucini. Dann fuhren wir weiter. Auf der
Dachterrasse eines ehemals sehr exclusiven Clubs gab es noch vor dem
Mittagessen einen Longdrink – Cuba Libre für alle, Kinder und Schwächlinge
ausgenommen. Ganz in der Nähe war ein ebenso exclusiver Tennis- und Yachtclub,
in dem wir dann – bei gewohnt lauter kubanischer Musik - zu Mittag aßen. Die
nächste Station war schon TRINIDAD. Eine sehr geschichtsträchtige Stadt, die
mich schon bei meinem ersten Besuch Kubas vor sechs Jahren sehr beeindruckt
hatte. Leider war es inzwischen nach 17.00 Uhr und alle Museen hatten schon
geschlossen. Als kleinen Ausgleich durften wir in die Töpferwerkstatt eines
bekannten Töpfers schauen. Uuunglaublich interessant, gähn. Auch hier dann
irgendwo in einer ziemlich schmuddeligen Kneipe ein Drink aufs Haus, diesmal
Rum mit Honig. Außerdem trat natürlich die obligatorische Band mit ihrer neuen
CD auf. Die Toilette war unbenutzbar. Überhaupt war der ganze Ort ziemlich
runtergekommen, verglichen mit allen anderen Städten, die wir bisher gesehen
hatten. Hübsch, sehr karibisch, aber dreckig. Über die geschichtlichen
Hintergründe des Ortes erfuhren wir genau NADA, also nichts. Um 18.00 Uhr dann
Weiterfahrt nach SANTA SPIRITUS, einen sehr schönen Ort mit 72.000 Einwohnern.
Hier sollten wir auch übernachten. Und plötzlich wechselte der bisher doch
recht gemischte Eindruck dieses Ausflugs zum Guten. Wir kamen in ein
wunderbares Hotel direkt in der Stadtmitte, einem großen Park. Das familiäre
Hotel war im spanischen Stil sehr geschmackvoll eingerichtet. Die Zimmer waren
ein Traum! Es gab sogar einen Safe, 220 Volt und WARMES Wasser! Wir machten uns
frisch und gingen dann runter zum gemeinsamen Abendessen. Wir alle saßen an
einer langen Tafel im Restaurant des Hotels, dass auf angenehme 4 Grad
runtergekühlt war (Scherz!). Schon im Vorfeld hatten wir uns für Rind
entschieden, was sich als eine sehr gute Wahl herausstellte. Die Band des
Abends bestand aus drei singenden Gitarristen, die auch als die drei Tenöre hätten
durchgehen können – ganz große Kunst! Dass bei der Lautstärke keine Gläser
zersprungen sind, spricht für ihr Können. Sie bekamen jedenfalls ein verdientes
Trinkgeld. Anschließend saßen wir noch eine Weile draußen auf der Veranda und
kamen mit einigen anderen Touristen ins Gespräch, so auch mit Stefan, einem
SAP-Berater aus Köln. Er war alleine in Havannah, weil seine Mama nicht mehr so
gut zu Fuß war...
Der Platz vorm Hotel füllte sich langsam mit Jugendlichen
und wir fürchteten schon eine weitere Nacht ohne Schlaf, aber es blieb dann
doch bis etwa 6 Uhr am Morgen vergleichsweise ruhig.
Hier wohnt ein Chef |
Nach dem Frühstück Weiterfahrt nach SANTA CLARA, der letzten
Stadt unserer Rundreise. Hier in Santa Clara hatten sich Fidel und Che Guevara
mit ihren Jungs in einem Hotel verschanzt. Es war wohl ziemlich knapp für die
Rebellen damals. Am Hotel sieht man noch sehr schön die ganzen Einschusslöcher
der Regierungstruppen. Die 280.000 Einwohner zählende Stadt war auch Schauplatz
eines der letzten großen Angriffe von Diktator Batiste auf die Rebellen.
Batiste hatte einen Güterzug mit 1200 Soldaten vollgestopft und wollte diesen
Zug mitten in die Stadt fahren lassen, um da mal gründlich aufzuräumen, also so
eine Art Trojanisches Pferd.. Che war schlauer und riss mit einem Bulldozer rechtzeitig
die Schienen aus dem Gleisbett, so dass der Zug entgleiste und die Angreifer
sehr bald aufgaben. Als Batiste davon hörte, soll er ins Exil geflohen sein und
die Revolution war komplett. Wir haben uns die Waggons angesehen – das muss
eine gruselige Zeit gewesen sein.
Heute sind da keine Soldaten mehr drin. |
Und damit war unser Programm beendet. Die 169 CUCs (= 130.-
Euro) beinhalteten drei Mahlzeiten, ein Frühstück, eine Übernachtung, alle
Eintrittsgelder sowie die kompletten Fahrtkosten. Da kann man nicht meckern.
Höchstens über den Fahrer. Der war wohl genauso nachtaktiv wie unser
Reiseleiter statt sich auszuruhen. Er ist auf der Heimfahrt mehrmals quer über
die leere Autobahn geschliddert und machte trotz seines unglaublichen
Kaffeekonsums nicht den Eindruck, tatsächlich wach zu sein. Mehrfach blieb er
irgendwo stehen, rannte dreimal um den Bus, trat gegen die Reifen und fuhr
wieder ein paar Kilometer weiter.
Irgendwie haben wir es aber doch noch geschafft und sind
sicher im Hotel angekommen.
Dort war inzwischen Dagmars Freundin und Arbeitskollegin
SABINE eingetroffen. Trotz des zwölfstündigen Fluges war sie fit und für jede
Schandtat bereit. Also gingen wir noch ins „CASTROPOL“, speisten dort auf der
Terasse im zweiten Stock Köstlichkeiten aus der kubanischen Küche und beendeten
den Abend mit einem Absacker an der Bar. Es war Freitag, 23.00 Uhr und die
Schönen der Nacht standen in langer Reihe vor dem Eingang zur Disco. Das war
mal wieder besser als jedes Fernsehprogramm.
DER SIEBTE TAG
Dagmar und Sabine wollten verständlicherweise mal alleine
losziehen und ich brauchte auch dringend Zeit, die ganzen letzten Tage
nachzutragen. Also setzte ich mich an die Bar, trank zwei, drei Cappucino und
war entsetzt, wie viele Einzelheiten ich bereits vergessen oder verdrängt
hatte. Außerdem versuchte ich mal wieder, an meine eMails heranzukommen, was
heute sogar nahezu problemlos möglich war, denn endlich gab es die ersehnten
Internetpässe mit Zugangs- und Passwort für 6.- CUCs pro Stunde. Gegen Mittag
bin ich in die Altstadt gelaufen, habe im „FLORIDITA“ zu Mittag gegessen und
mir dann auf dem Flohmarkt doch noch eine alte Uhr gekauft. Die „Baume &
Mercier“ hatte mir inzwischen jemand weggeschnappt und ähnliche Uhren waren
noch teurer. Ich blieb bei einer Uhr aus den 1940er Jahren hängen, einer unbekannten
Schweizer Marke, die ich für umgerechnet 35.- Euro außer Landes schaffen werde.
Handaufzug, recht klein, vergoldet, mit Sekundenzeiger und Leuchtpunkten, die
aber nicht mehr leuchten. Das Ziffernblatt sollte gereinigt werden, sonst ist
alles picobello.
So gegen 17.00 Uhr kamen die Damen mit einer Menge an
Bildern und Eindrücken zurück. Sie hatten unterwegs sogar STEFAN
wiedergetroffen, unseren SAP-Spezi aus Köln. Am Abend waren wir drei dann
wieder zusammen essen, beklatschten die Musikanten und fuhren gegen 23.00 Uhr
im Taxi nach Hause, wo die Schlange vor der Disco nun schon gut einhundert
Meter lang war. Da beide Mädels kaum noch die Augen aufhielten, ging es früh in
die Zimmer. Ich habe noch bis 2 Uhr gelesen.
DER ACHTE TAG
Der achte Tag war ein Sonntag und wir beschlossen, zur
Abwechslung mal ans Meer zu fahren. Östlich von Havanna gibt es nämlich
hervorragende Strände mit feinst gemahlenem Sand. Ein Touri-Bus brachte uns für
5 CUCs hin und zurück. Früher musste das alles mal eine Prachtanlage gewesen
sein, die aber nun so langsam in sich zusammenfällt, seit es in Varadero und
anderswo neue, modernere Hotels im Dutzend billiger gibt. Der Atlantik war mit
26 Grad Wassertemperatur nicht wirklich erfrischend, sorgte aber immerhin für
etwas Abwechslung beim Sonnenbraten. Ich hatte es mir natürlich überdacht im
Strandcafe bequem gemacht und las in meinem ARNO DAHL-Krimi weiter. Gegen 14.30
Uhr sind wir dann in ein kleines Strandrestaurant umgezogen und haben frische
Fischfilets mit Salat und Reis verzehrt. Dann hatten wir genug vom Strand. Der
Bus kam zwar 15 Minuten zu spät, aber das ist in Kuba noch innerhalb der
Toleranz. Vom Place Central aus liefen wir wie gewohnt nach Hause, ca. 1,5 km
durch dichtbebautes Gebiet. Kurz vorm Ziel dann zum ersten Mal Alarm im
Magen-Darm-Trakt! Ich habe es gerade noch ins Zimmer geschafft. Da es außer mir
niemanden erwischt hat, können wir bisher keinen Schuldigen an der
Darmverstimmung benennen. Die Mädels haben sich dann in die Maske verabschiedet
und ich habe es mir mal wieder an der Bar gemütlich gemacht. Eine alte
englische Schachtel fragte mich, ob ich Schriftsteller sei, weil ich ja dauernd
auf meinem Notebook rumtippen würde. Ich verneinte die Anfrage und war
eigentlich eher erstaunt, warum sich fremde Leute in meine Angelegenheiten
mischen.
Den Abend verbrachten wir wieder bei vorzüglichem Essen bei
„CASTROPOL“ und einem anschließenden Besuch des Hotels „RAQUEL“, dessen
Dachterrasse unserem Reiseführer eine besondere Erwähnung wert war. Um dorthin
zu kommen, brauchten wir ein Taxi. Das einzige Gefährt, das vor unserem
Restaurant wartete, war ein uralter LADA, der an allen Ecken und Enden völlig
verrostet war, dessen rechte hintere Türe nicht mehr aufging und dessen
Beifahrertür halb in den Angeln hing. Ein Taxischild fehlte auch, aber der
Türsteher sagte, dass es ein Taxi sei. Da die Mädels unbedingt mal LADA fahren
wollten, stiegen wir ein. Innen dasselbe Bild: Völlig zerschlissen, halb
demoliert, Löcher im Boden, aber ein lautes CD-Radio. Der junge Fahrer, anders
als andere Kubaner sehr unsauber mit löchrigen Klamotten bekleidet, hatte keine
Ahnung, wo sich das RAQUEL-Hotel befindet. Er kannte auch die Straßen nicht,
die Sabine ihm aus dem Reiseführer vorlies. Er fuhr einfach drauf los. Bei
einem Bremsmanöver bergab hatte ich den Eindruck, dass die Kiste nun jede
Sekunde komplett auseinanderfallen müsste, aber wie durch ein Wunder fanden die
Räder wieder Kontakt zur Fahrbahn und brachten uns in die tiefe, dunkle
Altstadt. In Straßen, die wir noch nie gesehen hatten. Alle paar Meter hielt
der Fahrer an, um sich bei den Einheimischen nach dem Weg zu erkunden. Sabine
erkannte als erste den gesuchten Straßennamen und bat, zu stoppen. Ich wollte
auch keine Sekunde länger in dem durch Abgase verseuchten Innenraum ausharren
und öffnete die Beifahrertür. In derselben Millisekunde überholte uns rechts
ein Fahrradtaxi und knallte mit Schmackes gegen die Autotür. Das Fahrradtaxi
kam augenblicklich zum Stehen und drei Menschen wirbelten durch die Gegend. Der
Fahrer hielt sich die Stirn, wo ich sekündlich einen Blutschwall erwartete,
eine Mutter mit Teenagertochter schrie laut, das Kind hielt sich
schmerzverzerrt die Hand und ich konnte nur noch „Perdon!!!“ stammeln.
Ich war am Boden zerstört. Es war mir klar, dass ich in diesem
Moment das Leben dreier Personen nachhaltig zerstört hatte. Der Fahrer würde
den Rest seines Lebens nur noch schwer entstellt meistern können, das junge
Mädel würde ihren Arm verlieren und die Mutter an gebrochenem Herzen vorzeitig
ableben.
Da sagte Dagmar plötzlich: „Die haben doch gar nichts. Das
ist alles Show!“ Und richtig, der erwartete Blutschwall blieb aus, man sah
nicht den geringsten Kratzer an der Stirn des Fahrers, das Handgelenk des
Mädchens war genauso fett wie vorher und ließ sich problemlos bewegen und die
Mutter nutze mit ihrer schrillen Keiferei die Gunst der Stunde, uns ein wenig
abzuzocken. Was die Bande nicht wusste: Sabine ist des Spanischen durchaus
mächtig und verstand so ziemlich genau, was da ablief. Ich hatte inzwischen dem
Fahrer die vereinbarten 5 CUCs gegeben, um wenigstens hier keinen Fehler zu
machen. Der mahnte dann auch die anderen, in ihren Äußerungen etwas
vorsichtiger zu sein, da wir ihre Sprache sprächen. Plötzlich wechselten sie
die Taktik. „Das Kind muss ins Krankenhaus zum Röntgen!“ war die neue
Forderung. Wir sollten gefälligst die Fahrt- und Krankenhauskosten bezahlen.
Nun ist die medizinische Versorgung in Kuba zwar kostenlos, aber wenn ein
Tourist schuld an einer Veletzung eines Kubaners ist, bleibt er solange im
Land, bis alle Kosten beglichen sind. Da ich jetzt so gar nicht mehr wusste,
wie man sich in einer solchen Situation, die ja durchaus mit
Gefängnisaufenthalt enden kann, verhalten soll, schlug ich vor, die Polizei zu
rufen. „Policia?“ Das Geschnatter der Schwerverletzten wurde augenblicklich
ruhiger. Der Taxifahrer hatte offensichtlich keine Taxilizenz und das Auto
gehörte eindeutig in die Schrottpresse. Der Fahrer des Fahrradtaxis hatte uns
in zentimeterkurzem Abstand rechts überholt, obwohl er sehen konnte, dass
gerade Fahrgäste ausstiegen. Und die resolute Mutter hatte plötzlich nur noch
Angst, dass das Kind die Schule versäumen würde, wenn man sie jetzt nicht
unverzüglich ins Krankenhaus bringen würde. Dann sagte ich zu Dagmar, dass ich
den Fahrer ja schon bezahlt hatte und Daggi sagte, dass Sabine den Fahrer auch
schon bezahlt hätte. Sieh da, da hat der kleine Gauner, ohne ein Wort zu sagen,
gleich zweimal kassiert. Damit konfrontiert, schlug er vor, mit den zweiten 5
Pesos das Kind ins Krankenhaus zu fahren und die Sache wäre damit für uns
erledigt. Wohl abwägend, welche Konsequenzen der eine oder andere Ausgang des
Dramas haben würde, entschieden wir uns, dem Fahrer die zweiten 5 CUCs zu
schenken und gingen zu Fuß die paar Meter zum Hotel „RAQUEL“ weiter. Die Bande
hatte also rund 120 kubanische Pesos gut gemacht. Bei einem Gehalt von
durchschnittlich 350 Pesos kein schlechtes Geschäft.
Es hätte auch anders ausgehen können. Unabhängig davon, ob
überhaupt jemand verletzt war, ist der Unfallverursacher erst mal in jedem Fall
schuld. Wäre ich nicht nach Kuba gereist, hätte der Unfall ja auch nicht
passieren können. Diese stringente Logik zu durchbrechen, bedarf dann
anwaltlicher Hilfe. Und bevor ich wochenlang ohne Wasser und Wein in
irgendeinem Kerker vor mich hinsiechen würde, war es doch besser, klein
beizugeben...
Das Hotel „RAQUEL“ in der Nähe der Kreuzfahrtschiff-Docks
ist übrigens tatsächlich ein weltberühmtes jüdisches Gebäude von geradezu
einmaliger Schönheit. Hoch oben auf der Dachterrasse schlürften wir dort Bier
und Mojitos und schworen uns, nie wieder in einen LADA ohne Taxischild zu
steigen. Ein gutes Stündchen später erkundeten wir noch ein paar Seitenstraßen
rund um das Hotel. Ein Prachtbau neben dem anderen, tolle Museen, Restaurants,
Hotels, wohin man nur schaute. Havanna ist für mich architektonisch inzwischen
die schönste Stadt der Welt, auch wenn mindestens zwei Drittel der
Prachtgebäude dringend renoviert werden müssen. Cuba soll ja mal die reichste
Stadt der USA gewesen sein.
Für die Heimreise waren wir in der Taxiwahl diesmal sehr
sorgfältig und lehnten alle alten Kisten, also die ganzen illegalen
Schrottbüchsen einfach ab und fuhren mit einem offiziellen Taxi (das sogar
einen Taxameter hatte, der natürlich nicht lief) nach Hause. Das übliche
Discopublikum stand schon wieder am Eingang...
DER NEUNTE TAG
Ein Tag wie jeder andere. Bummeln durch die Stadt, diesmal
aber getrennt. Zum vierten Mal den Flohmarkt am „PLACA DE LAS ARMAS“
durchpflügt. Ein paar Telefongespräche nach Hause geführt, später irgendwo in
der Altstadt zu Mittag gegessen und Dagmar und Sabine später im „Hop On - Hop Off“-Bus wieder getroffen.
Stadtrundfahrt die Zweite. Abends Internet, danach Essen im „CASTROPOL“.
Anschließend noch auf ein paar Wein in einem anderen Club namens „CAFÈ NERUDA“
im Freien. Spät zu Bette, dicker Kopf. Und um sechs klingelte der Wecker.
DER ZEHNTE TAG - „VARADERO“
Ich hatte ja schon erwähnt, dass ich schon mal auf Kuba war,
und zwar zum Jahreswechsel 2006/2007. Die 186 Fotos von damals habe ich sogar
auf dem iPhone dabei. Sie sehen eigentlich genauso aus wie die Fotos
2012/2013...
Heute wollten wir uns also auf die Spuren meines damaligen
Urlaubs begeben, denn damals war ich ja nicht in Havanna (außer auf Ausflügen),
sondern auf der Touristenhalbinsel „VARADERO“. Damals durften da keine Kubaner
rein, sofern sie dort nicht arbeiteten. Touristen waren auch auf ihr eigenes
Hotel beschränkt, da sie durch das Armbändchen für den „All-Inclusive-Service“
fest an ihr Hotel gebunden waren. Zusätzliche Restaurants gab es kaum, auch nur
wenige Bars oder touristische Märkte. War ganz schön langweilig damals. Heute
ist das anders. Aber der Reihe nach.
Schon fünf Minuten vor halb sieben, unserer Abholzeit, wurde
an unsere Türe geklopft. Der Bus sei schon da. Es war ein Kleinbus mit
insgesamt sechs Touristen, einer Reiseleiterin und natürlich dem Fahrer. Die
Reiseleiterin begrüßte uns mit einem hübschen Kalenderspruch: „Yesterday is
history, tomorrow is mistery and today is a gift!“ Sie ähnelte ein wenig der
Schauspielerin Christine Ursprung, die als kleinwüchsige Assistentin des
Tatort-Gerichtsmediziners Börne bekannt geworden ist. Die Fahrt ging non-stop
nach Varadero und die sehr gut englisch sprechende Dame erzählte uns dies und
das über die Dinge, die man sehen konnte, wenn man die Augen offen hatte – was
bei mir aufgrund der kargen Nachtruhe nur selten der Fall war. So verpasste ich
das Olympiastadion mit dem olympischen Dorf, die Rumfabrik und so manchen
geilen Ausblick auf schöne Täler und Berge. Na ja, ich kannte das ja sowieso
schon. In Varadero selbst fuhren wir direkt in eines der vielen
Touristenghettos. Die Anlage heißt „LAS BRISAS DEL CARIBA“ und hat Platz für
rund 400 Brutzelopfer. Sie ist sehr schön angelegt, liegt natürlich direkt am
Strand und ist nur eins von über 50 Luxushotels an dieser Küste. Wir zählten 4
Sterne. Demnach hätte unser Stadthotel nur einen Stern haben dürfen (es hat
aber 3 Sterne!). Die inzwischen auf vier Personen geschrumpfte Reisegruppe –
zwei alte Engländerinnen und Dagmar und ich bekamen sogar ein Zimmer, um sich
umziehen zu können. Paarweise, nacheinander, versteht sich. Vorher mussten wir
uns aber zunächst ein blaues Plastikarmband ans Handgelenk montieren, damit wir
als Tagesgäste identifiziert werden konnten.
Und dann gings zum Frühstück. Es gab zwar eine Menge Sachen, aber sonderlich lecker sah da nichts aus. Vor allem gab es weder Butter noch Margarine. Der Kaffee war kein Deut besser als in unserem Hotel. Also ab ans Meer. Dort wurden uns von einem sehr netten Kubaner Strandliegen aufgebaut – all inclusive! Na ja, ganz so inclusive war da doch nichts. Natürlich hat er dafür ein Trinkgeld erwartet. Genau wie alle anderen Bediensteten. Ob das nun der Eierkoch war, der für jedes Omelett einen Obulus erwartete oder die Bedienungen – alle waren auf Kohle aus. Ganz frech wird es, wenn man mit Euro bezahlen will oder muss. Hier wird der Kurs 1:1 abgerechnet – Mehrkosten also von 30%! Nun gut, damit hatten wir ja nichts am Hut. Wir saßen eine Weile am Strand rum, Dagmar ging bis zu den Knien ins kalte Atlantikwasser und ich las in meinem Krimi weiter. Das hätten wir auch in Havanna am Pool machen können. Also entschlossen wir uns, doch mal ins Zentrum von Varadero zu fahren, den kleinen Ort, den ich von meinem Urlaub kannte, in dem man nicht ganz so isoliert war wie in dieser riesigen Anlage mit seinen dauernden Animationen, seiner qualvollen Dauerbeschallung an allen Ecken und Enden und der Anwesenheit hunderter typischer Unterschicht-Urlauber.
Das blaue Band der Symphatie |
Und dann gings zum Frühstück. Es gab zwar eine Menge Sachen, aber sonderlich lecker sah da nichts aus. Vor allem gab es weder Butter noch Margarine. Der Kaffee war kein Deut besser als in unserem Hotel. Also ab ans Meer. Dort wurden uns von einem sehr netten Kubaner Strandliegen aufgebaut – all inclusive! Na ja, ganz so inclusive war da doch nichts. Natürlich hat er dafür ein Trinkgeld erwartet. Genau wie alle anderen Bediensteten. Ob das nun der Eierkoch war, der für jedes Omelett einen Obulus erwartete oder die Bedienungen – alle waren auf Kohle aus. Ganz frech wird es, wenn man mit Euro bezahlen will oder muss. Hier wird der Kurs 1:1 abgerechnet – Mehrkosten also von 30%! Nun gut, damit hatten wir ja nichts am Hut. Wir saßen eine Weile am Strand rum, Dagmar ging bis zu den Knien ins kalte Atlantikwasser und ich las in meinem Krimi weiter. Das hätten wir auch in Havanna am Pool machen können. Also entschlossen wir uns, doch mal ins Zentrum von Varadero zu fahren, den kleinen Ort, den ich von meinem Urlaub kannte, in dem man nicht ganz so isoliert war wie in dieser riesigen Anlage mit seinen dauernden Animationen, seiner qualvollen Dauerbeschallung an allen Ecken und Enden und der Anwesenheit hunderter typischer Unterschicht-Urlauber.
Poollandschaft im Touristenparadies |
Zum Glück gibt es auch hier einen „BEACH-BUS“, mit dem man
für 5 CUCs (oder Euro) den ganzen Strand entlang fahren kann. Und das taten wir
dann auch. Der Buss war knallvoll und die Sonne hatte 30 Grad deutlich
überschritten. Solange der Bus fuhr, war es durch den Wind sehr angenehm, aber
wenn er stillstand, spürte man förmlich, wie die Haut um Hilfe schrie. Ich
zeigte Dagmar die ganzen Plätze, die ich damals besucht hatte. Auch mein
damaliges Hotel „CLUB TROPICAL“ stand noch da, wo es damals war, aber ansonsten
war der Ort gewaltig gewachsen. Ein Cafe neben dem anderen, sehr viele neue
Restaurants und auch viele kleine Bazare mit dem üblichen Touristenquatsch. An
der Endstation mussten wir ein paar Minuten bei einem CRISTAL-Bier warten –
dann ging es denselben Weg wieder zurück.
Im Hotel kamen wir noch rechtzeitig zum Mittagessen. Doch
hätten wir gewusst, was da eine Pampe auf uns wartete, wären wir im Ort
geblieben. Wenn der Wein so kalt gewesen wäre wie Suppe und das Fleisch so warm
wie der Ober, hätte man ja noch was drauß machen können. Tatsächlich war das
Essen aber für unsere feinen Geschmacksnerven unzumutbar. Selbst das Eis zum
Nachtisch war viel zu süß, um noch gut zu schmecken. Resigniert legten wir uns
auf zwei Liegestühle am Pool und lasen noch ein wenig in unseren Büchern. Um drei
gaben wir die geliehenen Handtücher ab, zogen wir uns wieder um und warteten
auf den Abtransport, der für 16.00 Uhr avisiert war. Da die Rezeption völlig
überfüllt war, dauerte es noch bis 16.15 Uhr, bis wir alle unsere Pässe
zurückhatten, vom Makel des blauen Bändchen befreit waren und wieder im Bus
Richtung Havannah saßen. Unterwegs gab es noch einen kurzen Stop an einem
hochgelegenen Aussichtspunkt, der mit einer Piña Colada versüßt wurde (die wir
aber selbst bezahlen mussten).
Wenig später sahen wir einen grässlichen Autounfall. Ein
amerikanischer Oldtimer hatte sich wohl mehrfach überschlagen und dabei ein
bisschen zusammengefaltet. So wie das Blech aussah, war da kein Platz mehr für
lebende Menschen. Das Tempolimit von 100 km/h sollte von solchen Wagen nicht
ausgenutzt werden, dafür sind die schon damals nicht gebaut worden. Und jetzt,
ein paar Millionen Kilometer später, entspricht die Straßenlage der meisten
Kisten eher einem schwimmenden Brett im Sturm denn der eines modernen PKW.
Unser Bus hatte übrigens 587000 km drauf. Das neueste Taxi, das ich hier fuhr,
immerhin 277000. In allen „modernen“ Autos (also hauptsächlich Peugeots)
leuchten grundsätzlich sämtliche Warnlampen inklusive der Aufforderung „STOP“
auf, weil das Fahrzeug nicht fahrbereit ist, bzw. gar nicht mehr fahren dürfte.
Die weitverbreiteten LADAS, die ja ursprünglich auf dem FIAT 124 basieren, sind
alle, aber wirklich alle, absoluter Schrott. Kein TÜV der Welt würde auch nur
einem einzigen LADA auf Kuba eine Plakette geben, Regierungsfahrzeuge
vielleicht ausgenommen. Also auch auf diesem Gebiet besteht noch großer
Handelsbedarf. Raoul Castro hat sich mit seinen Reformen viel vorgenommen. Am
einfachsten wäre es, wenn die USA ihr einseitiges Embargo abstellen würden. Ein
Embargo, das von der ganzen Welt abgelehnt wird. Aber eher habe ich
wahrscheinlich sechs Richtige im Lotto als dass die Amerikaner den Kubanern die
Revolution verzeihen würden, die übrigens im nächsten Jahr ihren 55. Geburtstag
feiert.
Um viertel vor sieben waren wir wieder im Hotel. Für den
Abend hatten wir uns etwas Besonderes vorgenommen: Essen in einem der
berühmtesten Lokale der Altstadt. Im „LA GUERIDA“ wurden Teile des Films
„Erdbeer und Schokolade“ gedreht, außerdem sind hier in den frühen 1920er bis
1940er Jahren so ziemlich alle bekannten Filmstars dieser Welt ein- und
ausgegangen. Als das Taxi anhielt, dachten wir allerdings, dass wir im falschen
Film seien. Das Haus aus dem Jahr 1913 war völlig zerstört. Alte Marmortreppen
führten jedoch in den dritten Stock, der noch intakt war und in dem sich – wie
in einer 4-5 Zimmer-Wohnung – das Lokal befand. Bildhübsche Bedienungen mit
einwandfreiem Englisch kümmerten sich sehr freundlich um uns. An den Wändern
überall Bilder der großen und berühmten Menschen aus besseren Zeiten – wir
wurden leider nicht fotografiert. Es war gar nicht so leicht, hier überhaupt
einen Termin zu bekommen – drei Tage Vorlaufzeit muss man schon rechnen.
Doch dann kam das Essen – und das war ziemlich enttäuschend.
Die Gemüsebeilagen waren viel zu kalt, meine Schweinefilets knochentrocken, die
Kartoffelchips mit Champignons und Zwiebeln zermatscht und ebenfalls kalt. Nur
der Cesars Salat war diesmal wirklich gut! Alles in allem war das Essen um
Klassen schlechter als in unserem Lieblingslokal „Castropol“. Dafür aber
dreimal so teuer.
Um eine wichtige Erfahrung reicher, liefen wir zu Fuß zurück
ins Hotel, nicht ohne noch mal Station im „Café Neruda“ am „MALECÓN“ zu machen.
Sabine hatte dort am Nachmittag bereits den nächsten Mann ihres Lebens kennengelernt.
Es war der Kellner dieser Bar und er hatte ihr angeboten, sein ganzes Leben
lang für sie zu putzen. Wem's Spaß macht...
Sicherheitshalber nahmen wir sie dann aber doch wieder mit
ins Hotel.
DER ELFTE TAG
Sabine hat´s erwischt. Nein, nicht der Kellner. Eine
Allergie hat sie erwischt. Sonnenallergie oder vielleicht auch eine
Lebensmittelunverträglichkeit. Rote Punkte am ganzen Körper. Der Arzt im Hotel
empfiehlt ihr Histamine und gibt ihr eine Cortison-Spritze. Für den Rest der
Reise muss sie eine strenge Diät einhalten. Hühnchen Si, Fische No. Während sie
auf die Medikamente wartet, sitzt Dagmar am Pool und ich versuche, Ordnung in
meine E-Mails zu bekommen. Es sind inzwischen über 680 Mails. Da es im Hotel
seit gestern keine Internet-Karten mehr gibt, fahre ich ins Hotel Nacional und
buche dort eine Stunde. Hier ist die Geschwindigkeit fast dreimal so schnell,
so dass ich auch tatsächlich nach einer Stunde wieder auf dem Laufenden bin und
eine Menge Mails beantwortet habe. Inzwischen warten mehr als ein Dutzend
Aufträge darauf, nach meiner Rückreise erledigt zu werden. Ich bin froh, dass
meine Kunden die Geduld haben, noch so lange zu warten. Ich hatte zwar mein
gesamtes Aufnahmeequipment mitgenommen, aber das Hotel liegt an einer
Hauptstraße und ist auch sonst so hellhörig, dass an saubere Sprachaufnahmen
überhaupt nicht zu denken wäre. Und selbst wenn: eine WAV-Aufnahme über dieses
lahme Internet zu verschicken würde viel wertvolle Urlaubszeit vergeuden, von
den Kosten mal ganz abgesehen.
Sabine sieht inzwischen ziemlich schrecklich aus. Die roten
Punkte fangen zu allem Überfluss auch noch an zu jucken. Sie hat sich während
der Behandlung ausführlich mit der Ärztin unterhalten. Auch sie bekommt nur
einen Hungerlohn – die Kosten der ärztlichen Bemühungen erhält der Staat. Die
Ärztin ist gezwungen, eine Menge Listen zu führen. Weitergehende Kontrollen wie
z.B. die Spionage in der ehemaligen DDR soll es hier nicht geben. Uns fällt
auch schon seit Tagen auf, dass man kaum Polizei und so gut wie kein Militär
auf den Straßen sieht. In einer Fernsehdokumentation auf „arte“ habe ich aber
inzwischen gesehen, dass es in jeder Straße einen oder mehrere regierungstreue
„Mitarbeiter“ gibt, die ihre Mitbewohner bewerten müssen und über Belohnungen,
Gehaltserhöhungen oder auch Strafen entscheiden. Um über die Runden zu kommen,
hat Sabines Ärztin – wie die meisten hier - noch zwei weitere Jobs. Außerdem
verkauft sie an Sabine drei paar russische Nylon-Netzstrümpfe. Wo sie die
anziehen will, will ich mir besser nicht vorstellen. In Kuba ist es jedenfalls
im Moment sehr chic, so rumzulaufen.
Cortison, Penicillin und Histamine scheinen sich gut zu
verstehen. Sabine ist bereit, mal wieder einen Stadtbummel zu unternehmen. Der
Taxifahrer soll uns in ein Automuseum bringen, das ich noch von damals kenne.
Er kennt es leider nicht, denn er fährt uns einfach vors „Floridata“. Aber
durch kluges Nachfragen bei diversen Einheimischen gelingt es uns doch noch,
den magischen Ort der alten Karrossen aufzufinden. Für 1,50 CUC (statt einem
CUC, wie es im Marko-Polo-Führer steht) können wir dann in Ruhe die rund 30
Exemplare aus den 1920er bis 1950er Jahren bewundern. Fotografieren hätte
nochmals 5 CUC gekostet (Marko Polo sagt 1.- CUC!), so dass wir darauf
verzichten, zumal die Autos nicht sonderlich gepflegt sind. Das Automuseum in
Sinsheim ist da von ganz anderem Kaliber...
Wir bummeln noch ein wenig weiter und setzen uns dann in
einen der vielen kleinen Parks der Stadt, die die Steinwüsten auflockern. Ein
sehr guter Guitarist singt sich die Seele aus dem Leib. Wir trinken Bier und
Mojito. Sabine natürlich nicht, die darf ja nicht. Wer den Schaden hat, spottet
jeder Beschreibung.
Für das Abendessen haben wir zum fünften Mal das CASTROPOL
auf dem Schirm, weil es hier tatsächlich bisher am besten geschmeckt hat und
vor allem ein unschlagbares Preis/Leistungsverhältnis vorliegt.
Da wir auch dieses Mal wieder unglaublich schnell bedient
wurden und daher mit dem Essen schon kurz nach neun durch waren, suchten wir
uns noch eine Open-Air-Bar am MALACÓN aus. Den Namen habe ich vergessen und
möchte ihn auch nie mehr hören. Es war zwar sehr nett in und vor dem Lokal,
aber der Besuch der sanitären Anlagen hat diesen Eindruck schlagartig zerstört.
Vollgepinkelte Brille, kein Papier, kein Wasser – nicht einmal zum
Händewaschen. Außerdem war es eine Toilette für Mann und Frau gleichermaßen.
Eine Toilette, die ständig von allen Gästen frequentiert wurde. Mir war sooo
schlecht...
Dass im Nachbarhaus ein lautstarker Streit über
Spielschulden beim Domino-Spiel eskalierte, passte dann wie die Faust aufs
Auge. Unser Hotel liegt übrigens im ehemaligen Schwarzenviertel, das auch heute
noch fast ausschließlich von den dunkelhäutigen Kubanern bewohnt wird. Der
Streit war aber glücklicherweise nur laut, nicht handgreiflich.
Später in der Nacht haben wir erstmals einen Blick in
„unsere“ Disco geworfen. Recht gut eingerichteter Schuppen mit
Extremlautstärke, Extremklimaanlage und extrem doofem Publikum. Also ab ins
Bett.
DER ZWÖLFTE TAG
Immer noch keine Internet-Tickets an der Rezeption. Also
fuhr ich wieder ins Hotel Nacional, um dort meiner Arbeit nachzugehen. Aus den
über 700 Mails sind inzwischen 160 übrig geblieben, die geschäftsrelevant sind.
Die anderen Mails warenWerbung, Spam oder überflüssiges Geplänkel.
Anschließend setzte ich mich in den wunderbaren Garten des
Hotels, um da meinen Krimi fertig zu lesen – und gleich noch einen weiteren
anzufangen. Im iPad Mini ist ja genug Platz für tausende von Büchern.
Derzeit noch nicht wieder bezugsfähig |
Um 14.00 Uhr trafen die beiden Mädels dazu. Sie hatten mal
wieder einen Stadtbummel gemacht, wären beinahe von einem Motorrad überfahren
und von herabfallendem Schutt erschlagen worden. Außerdem hatten beide Bilder
gekauft. Schöne Ölbilder auf Leinen. Kofferfertig eingewickelt.
Nach einem kleinen Snack im Hotel Nacional fuhren wir drei
dann mit einem wunderschönen roten Cadillac Baujahr 1952 wieder ins
„DEAUVILLE“, um uns am Pool noch ein bisschen die Zeit zu vertreiben.
Der geneigte Leser wird vielleicht schon bemerkt haben, dass
spätestens an diesem Punkt unserer Reise so ziemlich alles erzählt wurde. Es
gebricht an Sensationen oder neuen Eindrücken, da wir so langsam alles Wichtige
gesehen haben. Natürlich könnten wir noch die ganzen Museen der Stadt
abklappern, aber da wir da völlig unterschiedliche Interessen haben, müssten
alle alleine los ziehen, was ja auch wenig Spaß macht. Immerhin beschließen
wir, uns am Abend im „HOTEL NACIONAL“ noch einmal eine Show des „BUENA VISTA
SOCIAL CLUB“ anzusehen. Mit Essen.
Vorher müssen wir allerdings noch einen Herrn Schröder aus
Hannover ertragen. Dieser Herr Schröder ist 63 Jahre alt und nicht identisch
mit dem ehemaligen Kanzler der Bundesrepublik, der ja bekanntlich auch aus
Hannover stammt. Unser Herr Schröder war Gast im „DEAUVILLE“ und überfiel uns
während einer Fahrstuhlfahrt in dem Moment, als er erkannte, dass wir aus
Deutschland kamen. „Endlich mal jemand, mit dem man quasseln kann!“ eröffnete
er die Konversation, die sich natürlich an der Bar fortsetzte, wo wir auf
Sabine warten mussten. Unser Herr Schröder kippte sich in Sekundenschnelle ein
ganzes Glas Rum hinter die Binde, um sofort ein
Zweites zu bestellen. Er war so was von knallevoll, wie man das selten
sieht. Dagmar in ihrer berühmt offenen Art hatte das vielleicht nicht gleich
bemerkt; jedenfalls fing sie sofort ein Gespräch mit ihm an. Was man sich halt
so von Tourist zu Tourist erzählt. Nach nur fünf Minuten hatte Schröder schon
wieder vergessen, dass wir aus Frankfurt kommen. Dafür erzählte er uns, was er
alles auf der Welt schon gesehen hat. „Thailand, Indien, die ganze Scheiße, den
ganzen Dreck!“ Dagmar hätte mit ihren weltweiten Erfahrungen – vor allem ihren
Aufenthalten in Australien – gut dagegen halten können, aber wie das bei
Betrunkenen so ist, geht es denen im Wesentlichen darum, selbst zu reden. „In
Australien war ich schon mal mit Familie, aber die Frau ist weg, Scheidung, die
ganze Scheiße, verstehste?“ Drink Nummer zwei war alle, der dritte bestellt.
„Ich hab´ die ganze Scheiße gesehen, den ganzen Dreck, verdammt. Ich hab der Frau
vorhin Geld gegeben, damit ihr Kind Milch zu trinken bekommt. Tschulligung,
wenn ich ´n bisschen lalle, aba ich trink halt gern. Das darf man doch. Bin ja
auch allein. Meine kubanische Freundin ist heut nich da. Meine thailändische
Freundin auch nicht. Is noch nich so weit.“ Es wurde immer schwerer, ihm zu
folgen. Mein Einwurf, dass in Thailand inzwischen schon ein gewisser Wohlstand
entstanden ist, wurde nahezu niedergebrüllt. „So ´n Quatsch! Haste mal an der Grenze zu Laos gesehen, wie
die da hausen? Das is so ´ne Scheiße, so ´n Dreck, das kannste dir ganich
vorstelln.“ Es war sinnlos, darauf irgendwas zu antworten. „Vier Sterne hat das
Hotel? Bin ich auch schon rausgeflogen.“ Das konnte ich mir gut vorstellen.
Herr Schröder zahlte seine Zeche und eine Runde für uns mit. Dann war sein
kubanisches Geld alle. Ich spendierte ihm noch ein viertes Wasserglas mit
kubanischem Rum, dann kam endlich Sabine und wir suchten das Weite.
Das Weite lag gar nicht fern. Heute also Kulturabend mit
kubanischer Musik im HOTEL NACIONAL. Der Ballsaal des Hotels, der Saal „1930“
wurde wohl in demselben Jahr erbaut, dessen Namen er trägt. Alle Gäste wurden
speziellen Tischen zugewiesen. Wir saßen in der zweiten Reihe, etwas links vor
der Bühne und leider ziemlich dicht vor den Boxen, mit denen man die
Frankfurter Festhalle hätte beschallen können. Das Essen war nicht übel,
bestand aus drei Gängen und einem Gratisdrink. Pünktlich um um halb zehn sprang
der jugendliche Moderator auf die Bühne und heizte das Publikum an, während sich
in seinem Rücken dreizehn Musiker an ihre Instrumente begaben. Von links nach
rechts waren das: Ein Pianist an einem Korg Stagepiano, ein Elektrogitarist,
ein Elektro-Bassist, ein Bongo-Spieler an zwei großen Bongos, ein weiterer
Percussionist, ein Trommler mit fünf lauten Trommeln, zwei Geiger und davor
eine Sängerin und drei Sänger, die allesamt auch tanzten und diverse
Percussion-Instrumente bedienten. Nr. 13 stand ganz links und bediente die
Querflöte – ein Instrument, das man aus vollem Herzen als Folterinstrument
bezeichnen darf. Meine Hoffnung, dass die Veranstaltung in Zimmerlautstärke
ablaufen würde, hatte sich nach wenigen Sekunden erledigt. So laut war Musik in
Havanna noch nie. Sabine stopfte sich auch sofort selbstgedrehte Papierstöpsel
in die Ohren, um den Krach etwas erträglicher zu machen. Dagmar fands schön.
13 Leute und 94 dB Lautstärke |
Zusätzlich zu den 13 Krachmachern kamen dann noch eine
schwarzhaarige junge Tänzerin, eine uralte Buena Vista-Vorzeigedame aus den
dreißiger Jahren und ein angeblich berühmter Saxofonist, der insgesamt drei
Titel spielte. Anscheinend wird Musik nicht von allen gleich empfunden. Die
beiden russisch besetzten Nachbartische hatten jedenfalls prachtvolle Stimmung,
tanzten ständig mit und nahmen die meisten Szenen auf Video auf, indem sie ihre
iPads in die Luft hielten und auf die Tänzer hielten, was ziemlich doof aussah.
An jedem Tisch habe ich mindestens drei iPads und eine vollständige Ausstattung
mit iPhones 5 gezählt.
Nach exakt zwei Stunden hatten die Damen und Herren der
Musikergewerkschaft ausgespielt und wir zogen mit schmerzenden Ohren zurück ins
Hotel. Herr Schröder war weg. Schade eigentlich.
DER DREIZEHNTE TAG
Den Morgen musste ich wieder im „HOTEL NACIONAL“ verbringen,
weil es bei uns anscheinend in dieser Saison keine Internetkarten mehr geben
wird. Dagmar und Sabine klapperten erneut ihre Lieblingsgalerien ab und nahmen
noch einen Capucino im „HOTEL de INGLESE“, wo ich die beiden dann wenig später
traf. Später im „CAFE PARIS“ mal ein paar Messungen durchgeführt. In meinem iPhone
habe ich eine APP, die den Lautstärkepegel misst. Während drinnen die Band
spielte und draußen eine andere Band entfernt zu hören war, betrug der
Lautstärkepegel 93 Decibel, abgekürzt dB. Ab achtzig dB ist es stark
gesundheitsschädlich. Die waren mit 76 db ohne Musik gerade so erreicht. Im
Hotelzimmer (bei geschlossenem Fenster) 61 db – auf Dauer ebenfalls noch
schädlich. Am Pool waren es ungesunde 84 dB (nachdem ich heimlich die
Lautstärke zurückgedreht hatte).
Sabine hatte heute ihren letzten Tag. Sieben Tage haben ihr
völlig ausgereicht und damit hatte sie auch recht. 14 Tage Havanna am Stück
sind zu viel. Nun gut, wir haben auch fünf Tage mit zusätzlichen Ausflügen
verbracht, aber dann bleiben immer noch 9 Tage. Neun Tage sind zuviel für eine
Stadt wie Havanna, wenn man sich nicht Tag für Tag durch irgendwelche Museen
quälen will. Und das wollen wir ja nicht.
Unsere Empfehlung: Vier Tage Havanna, dann mit dem Bus oder
vielleicht sogar mir einem Mietwagen selbst durchs Land fahren, überall das
beste Hotel suchen und auf eigene Faust das Land erkunden. Am Ende kann man ja noch drei Tage Varadero
im Luxus dranhängen, wenn man das will. Die Menschen hier in Kuba sind sehr
kontaktfreudig, es gibt so gut wie keine Gewalt oder Gefahr (vom Verkehr mal
abgesehen, aber der ist auf dem Lande kaum zu spüren) und die Gründe und Folgen
der kubanischen Revolution können nur durch die eigene Er-“Fahrung“
verinnerlicht werden. Die Kubaner sind zwar arm, aber stolz, gebildet und
zufrieden. Dieser Satz, der uns sehr oft begegnet ist, scheint zu stimmen.
Keine Ahnung, was passiert, wenn sich der Kapitalismus auf dieser Insel breit
macht, wenn die nun erlaubte Selbstständigkeit zu Konkurrenzdenken und
Konkurrenzdruck umschlägt. Wer werden die Sieger sein, wer die Verlierer? Wird
der allgemeine Zugang zum Internet neue Begehrlichkeiten wecken oder neue
Handelswege ermöglichen? Wird die Jugend mit einem „gemäßigten Kommunismus“ der
Partei treu bleiben oder selbst irgendwann eine neue Rebellion starten? Lauter
Fragen, die ich nicht beantworten kann, weil es für die Weiterentwicklung des
Landes keine Vorlagen gibt. Alles ist möglich, alles ist offen.
Sabine wurde um 14.30 Uhr von einem Taxi abgeholt und zum
Flughafen gefahren. Wir mogelten uns dann noch ein bisschen durch den Tag und
gingen abends ein letztes Mal ins „CASTROPOL“, wo man uns inzwischen schon fast
als Familienangehörige betrachtete. Anschließend trafen wir an der Bar erneut
Herrn Schröder. Rolf heißt er übrigens. Diesmal hatte er seine blutjunge
kubanische Freundin dabei. Da Prostitution in Kuba unter Strafe steht, war es
für ihn nicht einfach, das Mädel ins Hotel zu schleusen. Worüber die beiden
sich unterhalten, konnten wir nicht nachvollziehen, da er weder spanisch noch
englisch spricht und sie auch nur spanisch kann. Nun gut, für gewisse Dinge
braucht man ja auch keine Worte. Rolf trank heute nur Bier, dafür aber sehr
viel. Wir erfuhren, dass er bereits seine dritte Scheidung hinter sich hat,
dass er jeden Tag 20km bis zum Strand mit dem Fahrrad fährt (die Figur war für
einen 63-jährigen durchaus passabel!) und im Strandrestaurant bereits den Fisch
für morgen bestellt hat. Die Kleine zeigte uns Bilder ihres 3-jährigen Sohnes,
was uns dann schon ein wenig schockte. Das Mädel wollte so gerne in die
hauseigene Disco, aber Rolf wollte lieber noch das eine oder andere Bier
trinken. Spät und auch ein wenig angeschickert gingen wir zu Bett.
DER LETZTE TAG
Ein Tag des Abschieds. Aufstehen, eiskalt duschen,
Frühstücken, Koffer packen, Pool, auf Taxi warten, zum Flughafen fahren,
abfliegen...
...und um 16.40 Uhr deutscher Zeit (nach 10 Stunden Flug)
endlich wieder daheim!
FAZIT
Kuba ist eine Reise wert! Wenn es mit den Reformen jetzt
zügig weitergeht, wird sich die Armut schnell verringern. Die Menschen sind
überaus freundlich, Kriminalität ist nahezu unbekannt (was auch an den
Repressalien der Regierung liegt, aber das ist eine andere Geschichte). Alles
wird anders werden, wenn der CASTRO-Clan verstorben ist. Vielleicht wird
Castro´s lesbische Tochter neue Präsidentin – die Umfragen sprechen derzeit
dafür.
In etwa 6 Jahren werde ich eine dritte Reise ins Land
unternehmen, um den Fortschritt oder den Zusammenbruch selbst mitzuerleben.
Wir werden sehen.
Januar 2013
Weitere Reiseblogs von Rainer Maria Ehrhardt:
KARIBIK www.karibiktour.blogspot.com
MAURITIUS www.rme-mauritius.blogspot.com
TÜRKEI (Side) www.rme-side.blogspot.com
ÄGYPTEN (Nilrundreise) www.rme-nil.blogspot.com
TÜRKEI-Rundreise www.rme-tuerkei.blogspot.com
ÄGYPTEN (Nilrundreise) www.rme-nil.blogspot.com
TÜRKEI-Rundreise www.rme-tuerkei.blogspot.com
In Kürze folgt unser Reiseblog THAILAND